Mid3Sitzung002a

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Midgard 3

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Datum: 24.08.2010
Dauer: 2h
Spielleiter: Björn
Spieler: Hajo: Tam-Ceren (Hl Gr1), Harry: Harva (BS Gr5)
Szenario: Trommel und Pferd (Gerd Hupperich)
Beginn (Spielwelt): 01.04.2413
Ende (Spielwelt): 27.10.2413



Realwelt

Charaktererschaffung und kurzes Einführungsszenario für Hajo. Harry sekundiert und übernimmt spontan NSpF Harva.

Spielwelt

Vorgeschichte

Arjarruk, das große Pferdetotem, schien in seiner Weisheit die Stunden wie zähflüssiges Harz verrinnen zu lassen, um die Kraft Cheljis', des mächtigen Häuptlings der Jarrusen, die die Läina-Lande als Nomaden bereisen, ansichtig zu werden. Der Abend dämmerte und die Schreie seines Weibes Jalani, die aus seinem Wohnzelt drangen, schienen kein Ende nehmen zu wollen. Plötzliche Stille ließen Chelji stolpern und angsvoll die Luft anhalten, denn seine Frau schon zuvor schwach von Gesundheit stand mit Geburt dieses Knaben an der Schwelle zu Arjarruks' Reich! Der Schrei eines Säuglings und das leise glückliche Wimmern einer Frau beruhigten den dreifachen Vater, als er die Zeltplane hochwarf, um seiner Frau zur Seite zu eilen und das neue Leben, die Stärkung seines Stammes und die Liebe seines stolzen Herzens, zu erblicken.

Hier wollen wir die Szene verlassen, um nicht ungewollt, unschickliche Zeugen zu werden, von dem ersten Atemzug des schicksalsbehafteten Babys, das kurz darauf, von seinem Vater dem Stamm als Tam-Ceren, dritter Häuptlingssohn und neustes Stammesmitglied der Jarrusen, vorgestellt wurde; denn drei Söhne bringen dem Stamm und der Familie den Segen Arjarruks', laut den Sagen der Alten.

Die Kindheit des Jungen soll hier nicht weiter in den Vordergrund rücken, nur sei gesagt, dass seine Begabung für die jenseitigen Künste früh von Hungri, dem Schamanen des Stammes, entdeckt wurden. Früher als bei vielen anderen seiner Art, einschließlich seines Bruders Kautok, dem zweitältesten der drei. Dennoch beschlossen die Schutzgeister des Stammes sich Kautok zu offenbaren, was ihn mit Stolz und Tam mit Neid erfüllte, denn insgeheim hatte er gehofft, sich als neuer Schamanenlehrling profilieren zu können. Der Schatten der Brüder reichte weit, denn sein ältester Bruder Harva wurde schon länger von Chelji selbst im Amt des Häuptlings unterrichtet, im Kampf mit Speer und Keule und im Umgang mit seinesgleichen und anderen Stämmen, während Kautok ganz im Unterricht des Schamanen aufging. Tam wiederum blieb zurück und wusste lange nicht viel mit sich anzufangen; außer an der Schürze seiner Mutter zu hängen und trotz ihrer guten Absichten, ihm Grundlegendes beizubringen, wie das Reiten, Fischen (worin er sich nie mit Ruhm bekleckerte) und Sammeln von Kräutern, sich nie ganz als gleichwertig zu achten. Bis irgendwann sein Tallent zu offenkundig wurde, als dass es weiterhin vernachlässigt werden konnte. Die genaue Geschichte kennt wohl nur Tam selbst, aber eines frühen Morgends, so erzählt man sich, die Sonne küsste noch sanft die Wolken am Horizont der endlosen Steppe, lag eine, von einem Greifvogel geschlagene Schafstelze am Rande der Zeltstadt. Ohne viel Federlesen lief der mittlerweile achtjährige Tam zu dem unglücklichen Vogel hin, barg ihn in den Händen und ließ ihn unbeschadet wieder fliegen. Die Wächter schworen Stein auf Bein, dass der Vogel kein Zeichen von Leben mehr gezeigt habe. Die Reaktion des Vaters war schnell und erbarmungslos: Er schickte den Jungen zu einem Bekannten und Freund der Sippe gen Süden. Es war eine schwere Zeit; Tränen und Vorwürfe prasselten auf Chelji ein, aber er blieb hart. Sindiel war ein elfischer Heiler, der in Schenila, im angrenzenden Lande Moravod, wohnt und praktiziert und ab und an Handel mit der Sippe trieb, zum Wohle "seiner Kinder", wie er es auszudrücken pflegte. Mit neun Jahren begann er seine Lehre bei Sindiel, der ihn nie schonte, kaum lobte, aber dafür ab und zu eine Maulschelle für ihn übrig hatte und, wenn er sich unbeobachtet wähnte, ein warmes, stolzes Lächeln die Lippen kräuseln ließ, da Tam sich als hartnäckig und intelligent erwies. So wuchs der Junge heran, lernte die Liebe zum Leben, das Verständnis für die Lebensadern, die uns alle speisen und das Wissen, das hinter den Formeln und der Theatralik lag und seinen eigenen Wert als Mann. Doch alle Zeit ist endlich, denn nur das Werden und Vergehen ist ihm Sklave und wir mit ihnen. "Geh und besieh dir deinen Stamm mit neuen Augen, mein Junge. Deine Wurzeln sind stark und müssen gepflegt werden! Sieh zu, dass du deinem Vater einen schönen Gruß von mir ausrichtest und nun troll dich!" So schickte Sindiel den jungen Heiler fort und so soll seine Reise beginnen, mit einem Lächeln, einem klaren Blick und der Freiheit als einzige Grenze!

Nixenmond

Es war schön in den Schoß der Familie zurückzukehren. Ich war mittlerweile zum Manne gereift und genoß die Blicke meiner früheren Spielgefährten und den Respekt, den meine neue Aufgabe selbst jenen abnötigte, die früher über den "Nichtsnutz von drittem Sohn" die Nase rümpften. Ich wurde freundlich und warmherzig empfangen, der Tag war klar und der Wind versprach einen Hauch von Wetter. Die Wolken zogen rastlos am Himmel, so rastlos wie mein Herz es war; man kann seine Wurzeln wohl wahrhaftig nicht verleugnen. Die Tage vergingen wie im Fluge. Zelte auf- und abbauen, die Jarrids, eine zähe Ponyrasse, die gerade in Morawod und anderen eher unwirtlichen Gegenden gerne genutzt wird, versorgen, höflich-distanzierte Verhandlungen mit kreuzenden Stämmen und die täglichen Pflichten der Männer, wie Jagen mit Schlinge und Speer, Leder gerben oder Wagen wieder richten, ließen die Tage kurz erscheinen. Für mich gab es zusätzlich immer wieder die Wehwehchen von Tier und Mensch zu kurieren; wie z.B. einem Mann den Finger wieder einzurenken, der sich in einer Wagenspeiche verhing. Oder ein kleines Mädchen, wenn ich mich recht entsinne, hieß sie Lahti. Sie hatte dunkles Haar und war gerade in einer Wachstumsphase, die sie lang und dürr erscheinen ließ. An einem Schnupfen war sie erkrankt und blieb mir so frisch im Gedächnis, weil sie mich mit großen, dunklen Augen ansah und mit brüchiger Stimme fragte, ob sie denn nun sterben müsse, was mich zum Lachen und Lahti zum Schmollen brachte. Ganz abgesehen von den immer wieder mal lahmenden Jarrids, die zu behandeln nun auch meine Aufgabe war und nicht mehr die des Schamanen, der, auch langsam alt werdend, froh war, nur noch kurze Wege laufen zu müssen. Kautok wiederum erwies sich als ganz erstaunlich patenter Geisterwerber, zeigte aber nur wenig Tallent für die Heilkunst. Zum Glück ist Arjarruk dem Stamm wohlgesonnen und die einzelnen Familien kennen auch teilweise recht patente Hausmittelchen gegen alles Mögliche, sodass ich mir da kaum Gedanken machen muß. Wodurch ich auch zu meine Familie kommen will. Mein Häuptlingsvater konnte seinen Stolz über meinen Reife kaum verheelen, als er mich vor dem Stamm in die Arme schloß. Meine Schultern waren stärker als damals, wenn auch kaum zu vergleichen mit Harva, der zu einem stattlichen Mann geworden war und ich maß auch noch immer weniger als Kautok, der wahrscheinlich ob des Kräutereinflusses, immer eigenwilliger wurde; dennoch muß mein Erscheinungsbild gefallen haben, was mich, um ehrlich zu sein, sehr freute. Meine Mutter starb 3 Sommern zuvor, ob ihrer nie ganz wiederhergestellten Gesundheit, ruhig im Kreis ihrer Lieben, aber leider viel zu weit weg von Schenila. Dennoch gedachte ich ihrer und hielt eine einsame Totenwache zu ihren Ehren, in den folgenden Nächten, wie es Brauch ist. Kautok hatte sich zu einem zuverlässigen Geisterseher und Medium gemausert, der die Geschicke des Stammes in ebenso hohem Maße mitregelte wie Harva, denn Hungri, der mittlerweile schon sehr alte Schamane, delegierte dankbar viele Aufgaben auf seinen gelehrigen Schüler. Die beiden Brüder arbeiteten da schon Hand in Hand und ich bin bester Hoffnung für unseren Stamm, solange diese Beiden auf ihn aufpassen. Harva wiederum war zu einem starken wenn auch stolzen Krieger herangewachsen; stolz oh ja, aber nicht dumm. Er diskutierte dieser Tage viel über die Geschicke des Stammes mit mir und Kautok, wenn wir Abends zusammen am Feuer seines Zeltes saßen und vergohrene Stutenmilch tranken. Ich fühlte mich wohl, denn die Steppe war freundlich zu meinem Stamm, die Tiere schnell und kräftig und die Weidelande so üppig wie der Busen so mancher Jarrusin. Ich gebe zu, oft versucht gewesen zu sein, einem der schüchternen Werbungen jener Damen nachzugeben, aber mein Herz erlaubte es nicht. Dennoch es waren schöne Tage. Doch alles was im Sein und Werden begriffen ist, hat sein Ende vor Augen. So auch diese ruhigen, beschaulichen und einfachen Tage. Chelji, mittlerweile alt und greise geworden, rief den Tag des Wechsels auf. Es fügte sich, dass wir eh gen Süden wanderten, da die Tiere uns ob des Winters zogen. Der Wechsel ist ein Ritual, das aus alten Tagen stammen soll und den Fluß des Lebens zum Fluß des Stammes machen soll. Hierzu wendet sich der gesammte Stamm gen Moravod und seinen südlichen Waldregionen, wo ein Moor steht, namens Geistermoor, da dort die Präsenz Arjarruks sehr stark sein soll. Der führende Schamane des Stammes hat nun die Ehre und Pflicht in die Geisterwelt einzugehen und Arjarruk zu suchen, damit das Totem dem Ritual beiwohnen kann. Der Geisterspeer Symbol und Waffe des Häuptlings der Jarrusen wird von dem alten Häuptling zum neuen übergeben, worauf sich der alte vom Stamm abwendet und ins Moor geht. Keiner weis genau zu berichten was dort passiert, aber keiner kam je wieder zum Vorschein. Ich muß wohl nicht extra sagen, dass ich entsetzt war. Solch verjährten Rituale in meinem ansonsten so freiheitsliebenden Stamm?! Aber obwohl ich Harva und Kautok gegenüber kein Blatt vor dem Mund nahm, stand die Entscheidung Chaljis' fest und keiner konnte ihm widersprechen, ohne sein Gesicht zu verlieren. Also gen Geistermoor!

Drachenmond

Wir kamen früh am Ufer des Uchan an. Routiniert stellten wir Zelte auf, tränkten und fütterten unsere Tiere und machten uns auf, den Festplatz vorzubereiten. Ich hatte dieser Tage sehr schlechte Laune und meine Brüder gingen mir aus dem Weg. Viddam, so heißt das Geistermoor in meiner Sprache, erstreckte sich weit gen Norden und schien mir mit seinen knorrigen Bäumen und der leicht nach abgestandenen Wasser riechenden Luft, als wolle es uns Häme und würde nur darauf warten ein weiteres Leben in seine Klauen zu bekommen. Ich schlief schlecht, aß wenig und war auch ansonsten ungenießbar. Der Stamm begann einen Bogen um mich zu machen. Es war eine bedächtige Zeit, in der nur wenig gesprochen wurde und selbst die Kinder leiser zu sein schienen als zuvor. Eine Zeit des Abschieds, ein Zeit der Hoffnung und der Trauer und eine Zeit des Neubeginns. Bald würde Hungri sich zur Geisterwelt aufmachen, um Arjarruk zu holen und es erschien mir alles so sinnlos. Ich war zerrissen zwischen meiner Ausbildung und meinem Glauben und kompensierte das in beißendem Spott für alles und jeden. Dieser Tage wundere ich mich, dass ich so ungeschoren dabei weg gekommen bin. Dennoch, mein Vater machte sich bereit den letzten Gang zu tun und Harva schien mir in der Rolle des neuen Häuptlings geradezu aufzugehen. Ich war empört wie ruhig er es hinzunehmen schien, ungerecht von mir, sicher, aber ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um die Nuancen seines Verhaltens einordnen zu können. Kautok verbarg sich Tag für Tag in seinem Zelt und unentwegt schien Rauch sich gen Himmel zu kräuseln. Ich fühlte mich verlassen in meiner Überzeugung, dies sei eine Farce, aber was konnte ich tun, der Stamm hatte entschieden.

6. Tag im Kranichmand

Der Kranichmond setzte ein und Hungri zog sich zurück für die nötigen Beschwörungen, die ihm den Eintritt in die Geisterwelt ermöglichten. Das rythmische Hämmern seiner Trommel erfüllte an diesem Tag die Luft der Zeltstadt und seine sonst so brüchige Stimme schien von Sekunde zu Sekunde deutlicher und kräftiger zu werden, als er die Geister der Ahnen anrief ihm Kraft zu geben. Es schien Stunden so zu gehen und die Anspannung war beinahe erdrückend. Niemand war darauf gefasst, als das Trommeln aprubt endete und alles schien ein paar Sekunden den Atem anzuhalten, bis Kautok aus dem Zelt kam und verlauten ließ, dass Hungri nun in der jenseitigen Welt wäre und der Stamm nichts zu fürchten habe. Er verdammte uns zum Warten, was meiner Laune nicht zuträglicher war.

16. Tag im Kranichmond

Es waren Tage vergangen seit Hungri "abreiste" und nichts kam, um Neuigkeit zu geben, als Kautok Harva im Schlepptau nervös und fahriger als sonst, was schon was heißen soll, zu mir kam. Er erzählte mir mit vor Angst aufgerissenen Augen, dass Hungri verschwunden sei, verlohren in der jenseitigen Welt. Er habe schon nach ihm geforscht, aber nur "Leere gefunden", seine Worte nicht meine. Ich war selbstverständlich bereit seinem Wunsch nachzukommen, mit ihm und Harva die Geisterwelt zu besuchen, wenn ich auch skeptisch war, was ich dort finden mochte. Dennoch überlegten wir nicht lange und setzten uns in sein, nach verschiedenen Kräutern duftendes Zelt. Um der Wahrheit den Vorzug zu geben, es stank ganz fürchterlich und ich möchte gar nicht wissen, was ich an dem Tag alles eingeatmet habe, aber es tat seine Wirkung! Bevor Kautok anfing mit dem Ritual händigte er Harva den Häuptlingsspeer aus, den Geisterspeer, damit er als bester Kämpe alle Register ziehen konnte. Die im Feuer verbrannten Kräuter und der monotone Gesang Kautoks schien mir einschläfernd, als dann endlich die Formeln begannen, aber als ich meine Augen wieder öffnete saß ich inmitten einer saftig-grünen Ebene auf einem Hügel. Der Horizont war riesig und dominiert von einer riesigen Lärche, die in ihren Ausmaßen alles überstieg, was ich zuvor je sah...ich sollte nur wenig Zeit für Bewunderung haben. Kautok bestand darauf, dass wir zufürderst Hungris' Geisterpferd fingen, das dem Hengsttotem nachempfunden ward, was mir an sich schon aberwitzig vorkam. Er erzählte ungerührt von der Gefangennahme des Geistes durch geheimnisvolle Dritte, die sich offensichtlich auch Hungri bemächtigt haben. Dabei beförderte er Seile mit Schlingen aus seiner Tasche und gab sie uns. Auf meine Frage, wie er beabsichtige dieses ominöse Pferd zu rufen, lächelte er nur hintergründig und sagte, er habe seine Mittel. Das sollte sich bestätigen, als ein mächtiger, weißer Hengst vor uns stand, scheuend und in Panik mit den Hufen um sich schlagend und wir anfingen ihn zu umkreisen, ohne Gefahr zu laufen, von seinen Hufen zertrampelt zu werden. Tatsächlich gelang es mir als unerfahrensten von uns, was jagen und ähnliches angeht, ihm die Schlinge um den Hals zu werfen. Ich war davon so überrascht (und stolz), dass er mich fast mit einem Ruck in die Reichweite seiner Hufe gezogen hätte. Nur das beherzte Eingreifen Harvas' ist es zu verdanken, dass ich heute noch hier stehe. Zusammen gelang es uns das Vertrauen dieses mächtigen Reittieres zu gewinnen und ihn zu beruhigen. Kautok ließ sich nicht lange bitten und bestieg das Pferd, das leicht zitternd unter ihm stand. Mit einem Grinsen und einem theatralischen Schnippen seiner Hand, ließ er es sich in eine Geistertrommel verwandeln und präsentierte sie uns stolz. Dies und der Geisterspeer sei die Kraft unseres Stammes und nur frei und unser könne unser Volk ebenso ungerührt weiterleben. So sprach er und ich glaube ich habe ihn nie wieder so beherzt sprechen hören. Kautok hatte etwas bei dem Kräftemessen abbekommen, was ich mit einer kundigen Untersuchung und einigen heilsamen Worten zu lindern verstand. Weiter führte uns unser Weg in Richtung der Riesen-Lärche, dem Lebensbaum. Ich wusste nicht recht was ich davon halten sollte, aber irgendwie passte alles zusammen und die Welt schien mir wieder eine Nuance farbiger geworden zu sein. Wenn ich von Farben spreche, habe ich immer das folgende vor Augen, denn wir kreuzten einen Fluß. Er war stark und breit, wenn er auch Überhänge hatte, über die man von einem Ufer zum anderen springen konnte, aber das wirklich bemerkenswerte daran war, dass er in allen Farben zu schillern schien. Stolz stahl sich in die Stimme Kautoks', als er uns erklärte, dass dies das gesammelte Wissen aller Jarrusen vor uns sei, die nie vergessen sein werden und ihre Unsterblichkeit im Vertrauen zu Arjarruk erstanden. Ich machte mir dazu meine eigenen Gedanken. Er forderte von uns, einen Schluck zur Erfrischung zu nehmen und ich tat es Harva gleich, als wir uns hinabbeugten und eine hohle Hand voll des köstlichen Nasses tranken. Es durchzuckte mich wie ein Blitzschlag, der verebbte und ein ruhiges Wissen mit sich brachte, dass alles sei, wie es sein müsse. Wir übersprangen nun den Fluß und folgten unserem Weg weiter. Die Richtung war einerlei, nur die Lärche war von Bedeutung. Ich weis nicht mehr, wer die Ledergesichter als erstes bemerkte, aber wir waren im Nu umringt von, durch Ledermasken verhüllte Köpfe, auf dem skelettierten Körpern von Toten. Kautok erklärte hastig, wie diese Schreckensgestallten entstanden. Es waren die "Seelen", wenn du so willst, von Mördern, Vergewaltigern und anderem Gesindel, dass von dem Stamm zur höchsten Strafe berufen wurden. Sie wurden im Moor versenkt mit Lederhauben über dem Kopf, sodass sie nie den Weg zum Fluß der Ahnen fänden und auf ewig als Diener und Wächter Arjarruks' und des Lebensbaumes herumwandeln müssen. Sie schienen nichts zu sehen, was die Theorie Kautoks' oder besser seine Überzeugung zu bestätigen schienen, und sich ganz auf Gehörtes zu verlassen, was wir auszunutzen verstanden...naja, verstehen hätte sollen, denn ich war nie sonderlich gut im Versteckspielen oder Finden, man hörte mich meist auf mehrere hundert Schritt Entfernung. Das sollte mir diesmal nicht zur Ehre gereichen, als sich einer dieser lebenden Leichen auf mich stürzte. Harva war sogleich zur Stelle, wenn auch sein Stich mit dem Speer einer skelettierten Leiche kaum etwas anhaben kann, so schenkte er mir Zeit. Zeit in der ich versuchte mit einem Beinhebel mich Ledergesichts zu erwehren, was eher nicht so gut klappte. Letztlich gelang es uns zusammen von den Wächtern weg zu kommen und wir nahmen die Beine in die Hand. Mittlerweile war ich stark erschöpft. In der Hoffnung eine der Lebenslinien, die mir mein Meister zeigte, zu entdecken, sah ich mich um. Es war eine der schönsten Anblicke, die ich je sah. Die Lebensenergie schien als verwaschenes Leuchten überall zu sein. Die Welt und wir, hatte eine Korona der Vitalität an uns, die nur ob unserer Wunden etwas abgeschwächt wirkten und alles schien sich in dem Riesenbaum zu vereinen. Hier entsprang auch die Idee, die mich noch heute begleitet und mich schon in so manchen Disput brachte bis hin zu Ketzerei-Anklagen , aber dazu an anderer Stelle mehr. Leider aber wurde mein Vorhaben gerade dadurch durchkreuzt. Da diese Energie bereits auf mich wirkte und nicht verstärkt werden konnte, außer am Stamm dieses Lebensbaumes brachte mir alle Konzentrationskraft wenig. Eine kleine Weile später kam vor uns etwas in Sicht. Zuerst waren es nur Schemen, aber je näher wir kamen, desto mehr erkannten wir. Dort stand ein schwarzhaariger Mann mit dem Rücken zu uns, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte vor Hungri, der abgekämpft aussah und dem Zusammenbruch nahe. Vor diesem schwarzhaarigen Mann standen fauchend zwei silberne Füchse, bereit uns anzufallen, wenn wir uns weiter näherten. Kautok befahl oder bat, so genau kann ich das nicht beurteilen, das Geisterpferd in seine alte Gestallt und ritt wie ein Wirbelwind an den Füchsen vorbei, die kaum Zeit hatten auszuweichen. Ich wollte die Zeit nutzen und mich auf den einen mit meinem leicht durchsichtig wirkenden Dolch werfen, aber er war zu schnell und ich fand mich alsbald am Boden wieder. Der Fuchs hatte sich in meinen linken Arm verbissen, den ich ihm geistesgegenwärtig zwischen den Kiefer schob, um meine Kehle zu schützen. Ich höre noch heute hin und wieder das trockene Knacken, als meine Elle und Speiche gleichsam brachen. Zum Glück rechnete der Fuchs nicht mit Harva, der sich plötzlich, trotz des zweiten Fuchses zwischen mich und ihn warf. Nun kämpfte er allein, denn ich war außer Stande mich zu erheben und durch meinen verletzten Arm konnte ich ihm nicht mal heilend zur Seite stehen, so jedenfalls meine Überzeugung dato. Ich prüfte meine Verletzung als Harva um sein und auch mein Leben rang, wärend der Schamanenkampf in dem mächtigen Wipfel der Lärche wütete. Ein sauberer Bruch, es würde etwas Zeit brauchen, aber ich sollte keine bleibenden Schäden davontragen. Einer der Füchse verlohr im Kampf mit Harva sein Leben, sofern man das so sagen kann, aber der andere setze ihm arg zu. Ich glaube wenn die gesammelte Macht Hungris' und Kautoks' Schwarzhaar nicht in die Flucht geschlagen hätte, wäre es um uns geschehen gewesen. Aber er flüchtete und mit ihm verschwand der silberne Fuchs. Schwer atmend stützte sich Harva auf den Geisterspeer und grinste froh. Ich spührte den Stich der Eifersucht und Scham, denn ich wusste, heute war ich mehr Last als Nutzen gewesen. Das muß sich ändern, schwor ich mir. Die beiden Schamanen kamen zusammen auf dem wundervollen Hengst herangeritten, worauf wir überein kamen, dass eine schnelle Rückkehr in die Gefilde der Menschen angebracht sei. So geschah es. Ich fand mich halb liegend und den Arm an meinen Körper gedrückt im Zelt Kautoks wieder. Niemand stellt übermäßig Fragen über unseren Verbleib, nur die Prellungen, Brüche und Kratzer dieser beschwerlichen Reise riefen Erstaunen hervor. Es war kaum Zeit vergangen und nachdem unsere Wunden versorgt waren und der Abend zu dämmern begann, bestand Chelji darauf sein Amt niederlegen zu wollen und im Zuge des Rituals zu seinen Ahnen zurück zu kehren. Ich war zu erschöpft denn mehr als ein Stirnrunzeln hin zu bekommen, aber Harva mußt mich festhalten, als der alte Narr seinen Gang ins Mohr antrat. Er verschwand in der Nacht und ich erinnere mich nur noch an sein letztes wehmütiges Lächeln, das er uns dreien zuwarf, bevor das Moor ihn verschluckte. Harva, bislang die Ruhe in Person, presste zu diesem Augenblick durch seine zusammengebissenen Zähnen einen Schwur hervor. Niemals solle ein Knabe, Tochter oder Weib wieder ihren Mann oder Vater auf diese Weise verlieren! Das Leben in der Steppe ist hart und ich weis nicht, ob er seinen Schwur halten kann, aber in diesem Moment war ich ihm näher als jemals zuvor. Da die Jarrusen dazu neigen ihr Winterquartier nicht zu verlassen, war es an mir, einen Weg zurück nach Schenila zu suchen. Kautok, der in den nächsten Tagen noch benebelter war, als zuvor, half mir etwas...naja, er machte es nicht leichter, aber er bemühte sich. Letztlich war es die alte Murula, die mir eine alte Karte zeigte, auf der ich durch den Wald von Moravod, auf verschlungenem Pfade gen Geltin käme, um möglichen Feinden zu entgehen. Hungri hatte uns nämlich erzählt, dass "Schwarzhaar" Angatak hieße und zu den Letiken, ein verfeindeter Stamm wie ihr wissen müsst, gehöre. Schamane versteht sich, ist seine Profession und der Fuchsgeist habe diesen Stamm ausersehen. Er könne sich auch nicht denken, was ihn geritten hat, aber er wollte die Trommel stehlen, was sich als schwerer erwies, als er dachte, denn seine beschworenen Hilfsgeister konnten den mächtigen Hengst nicht halten. Zu unserem Glück, dachte ich. Doch die Rückschlüsse waren beunruhigend, sodass ich Vorsichtsmaßnahmen einzuleiten gedachte. Ein weiteres Glück war Hungri selbst, denn er war von Dankbarkeit derart überwältigt, dass er sich darauf einließ mir ein wenig seiner Kunst beizubringen. Ich lernte also etwas über eine Pflenze namens Lotus, die weit ab unserer Lande wuchs und zusammen mit etwas Fingerspitzengefühl und Magie brauchbare Verteidigungsmaßnahmen darzustellen vermochte. Schlaf wird bekanntlich als eher nebensächlich betrachtet, aber zur falschen Zeit am richtigen Ort kann es Wunder wirken, sagte er und ich muß ihm heute recht geben. Bezüglich meiner Abreise, wollte ich auch nicht von den Tegaren gefangen werden, ich hänge noch heute an meinem Leben, sodass mir die Karte und die neue Fähigkeit wie gerufen kamen. Ich prägte mir den Weg ein und fing an mich langsam von den meinen zu verabschieden und Ausrüsrtung zusammen zu sammeln, sowie Proviant. Das waren die letzten Tage bei meinem Stamm.

10. Tag im Rabenmond

In Emotionsstürmen verabschiedete man mich, selbst Kautok wirkte klar und ernst, als wie uns umarmten und Harva gab mir eines seiner besten Jarrids mit, ein Geschenk, dass selbst für einen Häuptlingssohn beinahe zu viel war. Aber er bestand darauf und ich freute mich. Es hatte einen weißen Punkt auf dem ansonsten rotbraunen Fell, sodass ich es Tupfer nennen wollte. Mit ihm ging die Reise nochmal so schnell und mein Herz ging auf für dieses wundervolle, sanfte Tier. Im Wald von Moravod wurde es etwas holperig, aber weder Tupfer noch ich verlohren unseren Spass an der gemeinsamen Zeit. Schenila schien von Tag zu Tag näher zu kommen und ich freute mich sehr darauf meinen Meister den neuen Zauber und meinen neuen Freund zu zeigen. Ansonsten vergingen die Tage ereignislos; ein wenig sammeln, ein wenig jagen, auf den Weg achten, um in den wirren Biegungen nicht selbst verwirrt zu werden und von Bachlauf zu Bachlauf wandeln, den Wind im Gesicht, mit klarem Falkenblick immer nur an die Reise denken, singen wenn mir danach war und einsam sein, so sollte eine Reise ohne Ziel sein. Doch auch eine Reise mit Ziel hat Süße in sich und so nährte ich mich Tag für Tag Geltin mehr, umging Ortschaften so gut es ging, denn ich suchte den Umgang mit Fremden noch nicht und erfreute mich meines Lebens.

27. Tag im Rabenmond

Jede Reise endet einmal, doch ich dachte nicht, dass es so bald der Fall wäre. An einem Gasthaus, das etwa eine halbe Tagesreise von Geltin entfernt war, hielt ich an, um zu rasten und nun doch ein wenig Gesellschaft zu genießen. Die Tür war zu, was mich etwas stutzig machte, aber ich band Tupfer an und schritt beherzt aus. Ich hätte vielleicht vorsichtiger sein sollen...

Wird fortgesetzt...