Di002

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Di

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Datum: 14.02.2015
Dauer: 9h
Spielleiter: Björn
Spieler: Dietmar M.: KenTaiDi (XD Gr1), Ferry: WenDschünDi (Ma Gr1), Dietmar G.: TsuYoschiDi (Hj Gr2)
Szenario: Bester Ginseng aus Yü (Björn Rabenstein)
Beginn (Spielwelt): 04.12.2392 (04.13.GuiYou)
Ende (Spielwelt): 19.11.2400 (19.12.XinSi)



Realwelt

Zweite Runde, Tee war lecker, Musik hat super gepasst, Essen wurde geliefert von LonMen.

Spielwelt

Aufzeichnungen des KenTaiDi

Zwei Monate waren wir nun schon in KuenKung, und der Alltag kehrte in unser Leben ein. Ich verbrachte meine Zeit bei MuLanLun in der Ausbildung und machte Fortschritte auf dem Weg, ein guter Arzt zu werden. Mein großer Bruder TsuYoschi verdiente sich sein Geld als XuSchau, und bei meinem mittleren Bruder WenDschün will ich gar nicht genau wissen, was er in dem Etablissement unserer Tante so treibt.

Alles schien ruhig, und hätten wir am Abend des 4. Tages im 13. Mond im Jahr des Hahnes nicht etwas Ungewöhnliches gefunden, wäre das auch so geblieben. Wir waren gerade auf dem Heimweg in unser Gasthaus Zur Meeresbrise im Handelshafenviertel von KuenKung, da sahen wir eine reglose Gestalt in einer dunklen Ecke liegen. Vielleicht ein Toter? Mit freudiger Aufregung stürzte ich mich auf den leblosen Körper. Ich muss dazu sagen, dass ich ein Faible für Leichen habe, aus rein wissenschaftlicher Sicht natürlich. Wie sich nach näherer Untersuchung herausstellte, war die Person gar nicht tot, sondern nur betäubt. Im Hals steckte noch der Giftpfeil, der wohl mit einem Blasrohr abgeschossen worden war. Bei der Person handelte es sich um einen ca. 30 Jahre alten Seefahrer. Wir konnten ihn ja schlecht auf der Straße liegen lassen, also nahmen wir ihn mit in unser Zimmer im Gasthaus. Es dauerte eine Weile, bis er wieder zu Bewusstsein kam. Er packte sich an seine Brusttasche und stellte erschrocken fest, dass ihm eine Schriftrolle geklaut worden war. Die Schriftrolle war eine Nachricht an seinen Arbeitgeber Ming, ein lokal ansässiger Ginsenghändler. Nach einer kurzen Unterhaltung und den ungeklärten Fragen „Wo bin ich?“, „Wer seid ihr?“, „Verdammt wo ist die Schriftrolle?“, entschieden wir uns alle dafür, gemeinsam zu dem besagten Empfänger der Nachricht zu gehen.

Der Seefahrer namens HaiFeng brachte uns zu Ming, und wir wurden eingelassen in das ansehnliche Haus eines gemachten Händlers. Wir erfuhren, dass die Nachricht von seinem Handlespartner DiFang aus der Provinz Yü stammte. DiFang ist ein erfolgreicher Ginsengsammler, der schon seit langem mit Ming zusammenarbeitet und ihn mit frischem Ginseng beliefert. HaiFeng transportiert den Ginseng regelmäßig per Schiff von der Provinz Yü nach KuenKung. Ming war überrascht, dass statt der erwarteten Ginsenglieferung nur eine Nachricht kommen sollte. Was hatte das zu bedeuten? Er vermutet, dass die Xuan dahinter stecken. Sie sind derzeit eine harte Konkurrenz im Ginsenghandel und versuchen, den Markt zu dominieren. Ming ist Mitglied der Händlergilde „Die weiße Schlange“, die Xuan hingegen gehören zur „Gilde des endlosen Knotens“. Na wenn da mal nicht der Knoten geplatzt ist! Vermutlich haben sogar die Xuan einen KuroScha, also einen NinYa der Sekte der Schwarzen Mörder, damit beauftragt, die Nachricht zu stoppen. Leider kennen wir den Inhalt der Nachricht nicht.

Am nächste Morgen sind wir gleich früh morgens um sieben Uhr zur ersten Gerichtsverhandlung gegangen, um den Fall vorzutragen und ihn in offizielle Hände zu geben. Aber die Audienz bei Richter ChenXuan war eher enttäuschend, und TsuYoschi kann uns schon aus Erfahrung sagen, dass der Fall vor Gericht einschlafen wird. So fassten wir den Entschluss, selbst in die Provinz Yü zu reisen und der Sache auf den Grund zu gehen. Wir wurden offiziell mit Brief und Siegel von Ming beauftragt, den Ginsenghändler DiFang zu suchen und den Ginsenghandel wieder zu beleben. Kurz vor unserer Abreise flüsterte uns Ming noch eine mysteriöse Botschaft zu: Sollten wir während unserer Reise vor einem verschlossenen Tor stehen, so helfen uns die Worte „Kra'anesch“. Mehr konnte er uns dazu nicht sagen.

Ich muss beiläufig noch erwähnen, dass ich mit meinem Fachwissen über Ginseng glänzen konnte, einem allseits beliebten Heilmittel und Wirkungsverstärker für alle möglichen Tränke. Ich nehme mir fest vor, selbst mal einen Trank zu kreieren, den ich dann „Die Kraft der zwei Herzen“ nenne!

Bei Sonnenaufgang des 6. Tages stachen wir mit dem Kapitän HaiFeng in See Richtung Provinz Yü. Das Schiff namens „HoHsien“ machte gute Fahrt. (WenDschün und ich mußten TsuYoschi noch aufklären, daß HoHsien eine der sagenhaften acht Unsterblichen ist. Ihr Atrribut ist eine Wolke.) Wir kamen gut voran, bis dann am Folgetag die See ganz glatt wurde. Ich traute meinen Augen kaum, da im Wasser tummelten sich Seejungfrauen. Die anderen Seefahrer sprangen alle freudig ins Wasser und schienen sich sehr zu amüsieren. Wenn ich doch nur auch schwimmen könnte, ich wäre auch ins Wasser gesprungen. Meinem Bruder TsuYoschi ging es ähnlich und WenDschün war nicht so angetan von den fischigen Damen und wollte sich nicht nass machen. Eine der Seejungfrauen ließ uns ein kleines Gedicht ausrichten:

Für eine kurze Weile reitet ihr
auf einer kleinen hölzernen Wolke.
Bald wird es eine große sein
für eine lange Zeit.

Was hatte das schon wieder zu bedeuten? Was mir auch völlig schleierhaft bleibt: Warum mein Bruder sein gutes Schwert gegen eine dämliche Muschel eintauscht, die einer der Seeleute von einer Seejungfrau als Geschenk erhalten hat? Irgendwie schien es ihm die Muschel angetan zu haben und er meinte, er höre auch ganz gut damit.

So kamen wir kurz vor Sonnenuntergang am 8. Tag des 13. Monds im Fischerdorf OnchiRa an. Das Dorf ist winzig mit seinen ca. 250 Einwohnern. Wir quartierten uns erstmal im Gasthaus ein. Es herrschte wenig Betrieb, und wir verputzten eine Fischplatte und die Spezialität des Hauses, getrocknete Quallenchips. Der Gastwirt schien sehr ruppig mit seiner Frau umzugehen. Dauernd wurde sie rumkommandiert. Mach dies, mach das, und schließlich wurde sie zum Ziegenmelken rausgeschickt. MeiHua, so hieß die Frau, war sehr hübsch, und TsuYoschi packte sogleich die Chance und stiefelte ihr hinterher, um seine Hilfe anzubieten. Irgendwie fühlte sich MeiHua ertappt und lief noch weiter aus dem Dorf hinaus. Der neugierige TsuYoschi folgte ihr heimlich bis zu einem kleinen Ziegenstall an einem Waldesrand. Nahe dem Stall wartete aber nicht nur die Ziege darauf, gemolken zu werden, sondern auch ihr Liebhaber. Aha, in flagranti ertappt! Yao, mit seinen hellblauen Augen hatte der MeiHua ganz den Kopf verdreht. Aber wir petzen sowas ja nicht. Im Gasthaus erfuhren wir, dass am Tag der Briefübergabe vor einer Woche zwischen DiFang und HaiFeng auch noch drei SaMurai vor Ort waren, die dann auch kurz nach DiFang wieder aufgebrochen waren. Die Krieger trugen ein Wappen mit einem Dreizack, dem Symbol der Xuan. Der Verdacht verhärtete sich!

Wir verabredeten mit HaiFeng, dass er uns ca. am 16. wieder in OnchiRa abholt, und machten uns auf die Suche nach DiFang, der wie ein Nomade durch die Provinz zieht, so dass wir nicht genau wussten, wo er sich aufhielt. Jetzt konnte unser TsuYoschi mal sein Talent als Spurenleser unter Beweis stellen. Die Spuren führten uns flußaufwärts Richtung Süden. Es sah ganz so aus, als ob der leichtfüßige DiFang von den drei deutlich schwerfälligeren SaMurai verfolgt worden war. Ein Tiger hätte uns fast aufgelauert! Die Gegend schien nicht ungefährlich zu sein, aber das Leben im Gebirge ist uns vertraut. Die erste Nacht in der freien Natur war ereignislos.

Am 10. wurde die Situation mit den Spuren etwas unübersichtlich. DiFang ist mit seinen Verfolgern offenbar immer noch weiter den Fluß heraufgezogen. Dann aber führen Spuren von noch deutlich mehr Leuten in die entgegengesetzte Richtung und schließlich vom Fluß weg rauf in die Hügel.

Am 11. trafen wir LonMen, ein Yü, wie die Nomaden hier heißen. Er kannte DiFang und bot sich an, uns für ein kleines Endgelt zu begleiten. Er erzählte uns, dass die „Älteste“ verkünden ließ, dass der Ginsenghandel nur noch mit den Xuan betrieben werden darf, sonst gibt es Ärger! Es gab sogar das Gerücht, dass ein schwarzer Adept persönlich bei AMei, der Ältesten, eine Audienz hatte.

Am Abend sahen wir am Himmel ein sehr merkwürdiges Wesen. Es ähnelte einem schwebenden Rochen, der mit flimmernden Bewegung langsam durch die Lüfte glitt. LonMen versicherte uns, dass die Wesen erst seit kurzem hier gesichtet wurden. Beinahe hätte ihn einmal so ein Wesen nachts eingehüllt. Er konnte gerade noch rechtzeitig fliehen.

Unsere beiden Spurenleser TsuYoschi und LonMen machten ihre Sache ganz gut. Ab und an verloren wir zwar mal die Spur, aber fanden sie dann doch recht bald wieder. Was uns auffiel war, dass es ziemlich nahe beieinander drei verschiedene Nachtlager gab. Wir vermuteten, dass eines von DiFang und eines von den drei SaMurai waren, die DiFang verfolgten. Aber von wem war das dritte Nachtlager?

Wir suchten uns als Nachtlager eine Höhle zum Schutz vor diesen Schwebewesen. Als es dann dunkel wurde, kam wieder eines auf uns zugeflogen, sehr langsam und fast lautlos. Kampfesgewillt ging TsuYoschi hinaus, um sich dem Wesen zu stellen. Er zog seine Muschel! Nein, er hatte noch eine weitere Waffe. Vor ihm schwebte eine Art Auge, ein Dschini-Auge, wie er mir später erklärte. Dieses Auge glühte orange. Das bedeutet nix Gutes. Das Wesen ist nicht von dieser Welt! Vielleicht sogar ein Dämon!

Der Kampf begann, TsuYoschi verletzte das Wesen, wurde dann aber eingewickelt wie von einem nassen Handtuch. WenDschün und ich eilten zu Hilfe. Ich stach mit meinem Tanto zu, piekste durch das gasige Gewebe hindurch und traf leider auch meinen Bruder. Dennoch schafften wir es, das dämonische Vieh zu erledigen. Die paar Stichwunden konnte ich fachmännisch verarzten, wobei ich sagen muss, dass mein großer starker Bruder doch sehr wehleidig ist!

Wir waren nun schon ein paar Tage unterwegs. Am 13. passierten wir eine dicht bewachsene Stelle, wo die gesamte Vegetation in seltsamen Spiralmustern wuchs und der Ginseng üppig gedeihte. Wir fingen an, etwas Ginseng zu sammeln. Da entdeckten wir ein paar Meter weiter zwei tote Krieger. Beide hatten Schnittwunde am Hals. Einer ist wohl daran verblutet. Der andere hatte auch noch ein gebrochenes Bein und eine Stichwunde am Herzen. Beide wurde eiskalt niedergestreckt. Es waren die Krieger mit dem Dreizack-Symbol. Auch die Brieftauben, die sie dabei hatten, waren tot. Das waren wohl die Verfolger vom dritten Nachtlager, das wir entdeckt hatten.

Wir liefen weiter in ein Tal hinein, bis wir auf eine Mauer stießen. Sie bestand aus riesigen, archaischen Steinblöcken, die mit Moos und Unkraut bewachsen waren. Vor uns befand sich ein Torbogen in der Mauer, durch den wir hindurchsehen konnten. Wir sahen eine gepflasterte, überwucherte Straße, die in den Talkessel führte. Wir näherte uns dem Torbogen und erspähten eine Art fünfeckigen Pavillion in der Mitte. Jede Seite des Pavillions hatte eine Art Durchgang aus Milchglas, das gelblich leuchtete. Wo waren wir hier?

Wir waren im Schattental, wie wir später erfuhren. Als wir uns umsahen, entdeckten wir eine kleine verlassene Bambushütte, die erst vor kurzem benutzt wurde. Spuren von einer barfüßigen Person führten zum Pavillion. Befand sich DiFang eventuell in der Nähe?

Da kamen uns die Worte von Ming dem Händler ins Gedächtnis zurück! Jetzt ergab alles einen Sinn! „Kra'anesch“ sprachen wir, und der Milchglasdurchgang änderte die Farbe ins Weißliche. Wo eben noch eine unpassierliche Barriere im Weg war, konnten wir nun hindurchtreten. Wie durch einen wabernden Nebel tapsten wir vorwärts, bis wir den Pavillion durchquert hatten. Wir traten hinaus und sahen nun einen Pavillion mit sechs Ecken. Wir befanden uns auf einer Art Lichtung, alles sah etwas anders aus. Wir waren umgeben von einer Mauer. Ein Turm ragte an einer Mauerseite ca. 20 Meter in die Höhe. Um einen besseren Ausblick zu haben, entschieden wir uns, den Turm zu besteigen. Es sah so aus, als ob wir uns auf einem sehr hohen Plateau mitten in den Wolken befanden. Danach erkundeten wir den Turmkeller. Eine Metalltür versperrte uns den Weg. TsuYoschi stemmte sich mit Kraft gegen die Tür und erschrank. Es klang, als ob sich an die tausend OrcaMurai hinter der Tür in der Schlacht befanden und jeden Moment durch die Tür brachen. TsuYoschi verließ voller Angst und Panik den Keller. Das kam mir doch sehr unglaubwürdig vor! Da müssen ihm seine Sinne einen Streich gespielt haben. Bestimmt war das nur eine Illusion. Mir gelang es die Tür mit meinem Körpergewicht aufzustemmen und ich betrat einen fast leeren Kellerraum, in dem ein Stapel Pergament auf dem Boden verstreut war. Nach ca. 30 Minuten hatte ich alles fein säuberlich zusammen gesammelt. Lesen konnte ich diese fremdartige Schrift allerdings nicht. Bei drei dieser Pergamente handelte es sich allerdings um magische Spruchrollen, wie uns WenDschün erklären konnte.

Wir erkundeten das Tal weiter Richtung Süden. Ein kleiner gepflasterter Weg führte uns zu einem Steinbalkon, der sich hinter der Mauer befand. Es war, als würden wir direkt am Abgrund des Plateaus stehen. Eine Ginsengwurzel, die ich über den Balkon warf, fiel in die unendliche wolkige Tiefe. Zu unserer Überraschung lag in einer Ecke des Balkons ein Rucksack mit Marschgepäck. DiFang konnte nicht weit sein. Richtig, da sahen wir ihn! Vom Balkon aus konnten wir bis zum nächsten Plateau sehen, und da stand DiFang. Er winkte uns zu und sah hilflos aus. Dank der Muschel von TsuYoschi konnten wir DiFang hören. Das Ding war also doch nicht ganz nutzlos. Er sagte, dass er nicht mehr zu uns hinüber kommen könnte. Ein Wirbelwind hätte ihn erfasst und rüber gebracht.

Wie konnten wir DiFang nun helfen? Zunächst blieb uns nur übrig, die Umgebung näher zu erkunden. Ein riesiger Baum stand in der Nähe. Auch hier wuchs viel Ginseng, eine wahre Freude für jeden Sammler. Im Baum schliefen einige von diesen rochenartigen Schwebewesen. Von hier kamen sie also.

Wir liefen weiter Richtung Norden. Da entdeckten wir eine riesige Gestalt. Sie hatte helle Haut, trug flatternde Gewänder und war ca. vier bis fünf Meter hoch. Die Gestalt schwebte in der Luft und trug eine Art Baum in den Armen. Das muss ein Ent gewesen sein. Wie wir später erfuhren, waren diese beiden Gestalten sowas wie die Beschützer des Plateaus. Jedenfalls konnten sie fliegen bzw. schweben. Genau das Richtige, um DiFang zu uns rüber zu holen. Die Kommunikation beschränkte sich zwar auf Hände und Füße, aber wir konnten ihnen zeigen, was wir wollten. Ehe wir uns versahen, schwebten wir in den Armen dieses Sturmwesens hinüber zu DiFang. Dieser war schon ganz aufgelöst und heilfroh, dass ihm jemand zu Hilfe kam. WenDschün und ich schauten uns noch kurz etwas um. Aber als wir in einiger Entfernung ein großes, muffiges, skelettartiges Wesen durch die Wälder schlurfen sahen, kehrten wir doch lieber schnell wieder um.

DiFang nannte diesen Ort RenSchenYo, also die Ginsengwelt, aber keiner weiß so genau, wo wir uns befanden. Jedenfalls sollten wir uns besser beeilen, denn in RenSchenYo vergeht die Zeit langsamer als in unserer. Auf dem Steinbalkon machten wir dann noch Bekanntschaft mit einem Dschinn namens „Weiße Wolke“. Sie hatte DiFang den Streich gespielt und ihn auf das andere Plateau getragen. Ich hatte noch nie zuvor einen Dschinn gesehen. Sie saß auf einer schwebenden Kugel. Was es nicht alles so gibt! Wir dankten den Beschützern für ihre Hilfe und traten schnell wieder durch das Pavillionportal. Puh, wir waren wieder unversehrt im Schattental, aber als wir uns umsahen, ahnten wir schon, dass hier mehr Zeit vergangen sein muss, als die paar Stunden, wie wir sie erlebt haben. Die kleine verlassene Bambushütte sah verfallen und überwuchert aus, als wäre seit Jahren niemand hier gewesen.

Zusammen mit DiFang machten wir uns auf den Weg nach OnchiRa. Ach ja, unser Begleiter LonMen wollte eigentlich auf uns am Torbogen warten, aber dort war er nicht mehr. Er hätte ja ruhig mal warten können. DiFang erzählte uns, dass die SaMurai, die ihn verfolgten, von maskierten Kämpfern umgebracht wurden. Die maskierten Kämpfer gehörten wohl zur Weißen Orchidee.

Den Rückweg konnten wir etwas abkürzen, da wir nicht mehr den Fluß entlang mussten, sondern direkt Richtung Fischerdorf liefen. Drei Tage brauchten wir insgesamt bis nach OnchiRa. Am zweiten Tag wären wir beinahe einem YamaOni zu nahe gekommen. Ein YamaOni ist ein Berggeist mit glubschigen blauen Augen, wehendem rotem Haar und bestialischer, ogerartiger Gestalt. Wir sahen ihn, wie er unseren Weg über einen Hügelgrat kreuzte. Als wir in OnchiRa ankamen, hatten wir die Gewissheit, wie viel Zeit hier vergangen ist. Ganze acht Jahre waren wir fort! Wir hatten bereits den 12. Tag im 12. Mond des Jahres der Schlange.

Der Gastwirt und seine Frau, die er immer noch herumkommandierte, hatten nun einen siebenjährigen Sohn. Kai hieß der Sohn, und er hatte auffällig helle, blaue Augen und einen übermäßig gesunden Appetit. Er war dauernd am Futtern. Ich schaute mir Kai mal näher an, und mir fiel auf, dass er leicht bestialische Züge hatte. Wir hatten die starke Vermutung, dass der leibliche Vater der Liebhaber von MeiHua ist, dieser Yao. Wir hatten Gerüchte darüber gehört, dass sich ein YamaOni in eine menschliche Gestalt verwandeln kann, um sich dann zu paaren und Nachwuchs zu zeugen. MeiHua hatte uns erzählt, dass sie mit Yao schon länger keinen Kontakt mehr hat. Sollte unsere Vermutung wahr sein, so würde Yao bald ins Fischerdorf kommen und sich seinen Sohn holen. Wir mussten etwas unternehmen.

Unser Plan war es, wieder mit dem nächsten Schiff nach KuenKung zurückzureisen. Wir konnten den Gastwirt und MeiHua überzeugen, dass es für Kai das Beste sei, wenn er und seine Mutter mit uns kommen würden. So reisten wir wieder nach KueniKung, wo wir am 19. ankamen. Ming, der Händler, wusste schon von unserer Ankunft bescheid, denn der Dschinn „Weiße Wolke“ hatte ihm von uns berichtet. Es stellte sich heraus, dass Ming auch schon ein mal in RenSchenYo war und dort „Weiße Wolke“ kennenlernte. Sie ist seine Mentorin und, wie er immer wieder betonte, eine sehr schwierige Persönlichkeit. Ming ist nicht nur ein einfacher Händler, sondern kennt sich auch mit Elementarbeschwörungen aus. Den Ginsenghandel kontrollieren mittlerweile die Xuan komplett, mit Rückhalt eines kaiserlichen Monopolerlasses. So hat Ming den Ginsenghandel an den Nagel gehängt. Er ist jetzt mehr im internationalen Handel tätig, hat was von „fernem Westen“ geredet...

Jedenfalls hat er sich sichtlich gefreut, dass wir und vor allem sein Freund DiFang wieder zurückgekehrt sind. Er zahlte uns die versprochene Belohung von 48 Geldschuhen pro Person und lud uns ein, mit ihm das Neujahrsfest an den Hängen des SchuSchans zu feiern.

Kai haben wir zur nähreren Untersuchung bei MuLanLun gelassen. Aber ich habe kaum Hoffnung für den Jungen.

Epilog

DiFang

Niemand benutzte das Tor. Ming konnte ihm das bestätigen. Und der wußte es von BaiSseYuen.

Wie konnte das sein? War sein Geheimnis immer noch ein Geheimnis?

Die Xuan würden doch hemmungslos versuchen, aus dem Tor Kapital zu schlagen. Der SaMurai, der den maskierten Kämpfern der Weißen Orchidee entkommen war, mußte verunglückt sein, so daß er seinen Herren nie Bericht erstatten konnte. „Vielleicht hat ihn ein YamaOni erwischt“, dachte er mit einem fatalistischen Grinsen im Gesicht.

Und die Weiße Orchidee? Ihre Orchideenklingen hatten gleich mehrere Leute im Tor verschwinden sehen. Möglicherweise konnten sie sogar das Schlüsselwort aufschnappen, als die Gebrüder Di das Tor umgepolt hatten. Aber vielleicht war die Weiße Orchidee weise genug, ihr Wissen nicht voreilig zu nutzen. Vielleicht hoben sie es sich für einen besonderen Anlaß auf.

Bliebe noch LonMen. Gut möglich, daß der einfach zu feige war, daß ihm nach dem Erlebten klar war, daß dies alles eine Nummer zu groß für ihn war. Und so hielt er einfach die Klappe und kam nie wieder zurück ins Schattental.

Hieße das nun, daß er einfach weitermachen könnte wie bisher? Wohl eher nicht, denn sobald die Xuan mitbekämen, daß er wieder im Geschäft sei, würden sie ihm genauso nachstellen wie damals.

In KuenKung wollte er aber auch nicht bleiben. Hundertzwanzigtausend Menschen auf einem Fleck! In einem Umkreis um ihn herum, in dem er normalerweise keinen einzigen auf längere Zeit tolerieren könnte.

Aber die Welt war so groß und weit, mit viel freiem Platz. Mit seinen Ersparnissen könnte er sich so einiges an Reisen leisten. Und nebenbei könnte er als Handlungsreisender für Ming tätig sein. Nur auf!

MuLanLun

Die Literatur zu YamaOni zu sichten war einfach gewesen. Es gab einfach nicht sonderlich viel davon. Es war unklar, ob YamaOni sich nun wirklich nur dadurch fortpflanzen konnten, daß sie sich einen menschlichen Geliebten nahmen. Sicher war aber, daß sie es taten, und zwar sowohl die weiblichen YamaUba wie die männlichen YamaOtoko. Aber die Anzahl an zweifelsfrei dokumentierten Fällen war klein: Zwei betreffend YamaUba und immerhin sieben betreffend YamaOtoko.

Die Dunkelziffer bei YamaUba war sicherlich groß. Wie häufig hatte wohl schon eine YamaUba einen Menschenmann verführt und sich sogleich nach der Liebesnacht aus dem Staub gemacht, ohne daß der Mann jemals erfahren hätte, mit wem er es da zu tun gehabt hatte? Die zwei dokumentierten Fälle waren jeweils an das Licht der Wissenschaft gelangt, weil die betreffende YamaUba später samt ihres Kindes aufgespürt worden war.

Wenn ein YamaOtoko eine Menschenfrau schwängerte, war das naturgemäß eher zu bemerken, wobei die Fälle aussortiert werden mußten, bei denen eine Frau von übelmeinenden Mitmenschen lediglich beschuldigt wurde, sich mit einem YamaOtoko eingelassen zu haben. Einem abergläubischen Zeitgenossen mochten schon blaue Augen bei einem Säugling Anlaß genug für solche Anschuldigungen gewesen sein. Konzentrierte man sich also auf die eindeutigen Fälle, dann blieben die schon erwähnten sieben. Bei vier von ihnen entführte der YamaOtoko seine Geliebte schlicht und einfach. In den anderen drei wuchs der Säugling als Kuckuckskind unter den Menschen heran.

Unabhängig davon, ob nun der Vater oder die Mutter ein YamaOni war, wurden die Kinder in normaler Menschengestalt geboren. Nur die blauen Augen und ein leicht rötlicher Schimmer der Haare wies auf ihre Andersartigkeit hin. Die YamaOni-Kinder entwickelten sich dann aber deutlich schneller als Menschenkinder, aßen mehr und zeigten bald außergewöhnliche Körperkräfte und ein überaus aggressive Verhalten. Etwa ab dem achten Lebensjahr machten sich erste bestialische Anzeichen bemerkbar, wie längere Eckzähne und krallenartige Fingernägel. Im Falle von Kuckuckskindern versuchte der YamaOtoko etwa zu diesem Zeitpunkt, sein Kind zu entführen, um es fortan selber aufzuziehen. Die weitere Entwicklung war deutlich schlechter dokumentiert, aber man konnte davon ausgehen, daß bis zum fünfzehnten Lebensjahr die Umwandlung in einen vollwertigen YamaOni abgeschlossen war, während sich aber gleichzeitig die Fähigkeit, magisch eine normale Menschengestalt anzunehmen, herausbildete.

Jegliche Versuche, einen heranwachsenden YamaOni zu zähmen, waren gescheitert. Beim bislang vielversprechendsten Versuch war dem jungen YamaOni ein Trank verabreicht worden, der seine Gier nach Menschenfleisch besänftigen sollte. Der Trank hatte zwar an sich die gewünschte Wirkung, seine langfristigen Nebenwirkungen bereiteten dem YamaOni-Kind aber einen langsamen, qualvollen Tod.

Was sollte MuLanLun nun mit KaiLi tun? Seine Mutter war in ihrem Kummer dem Wahnsinn nahe. Sie hatte trotz der überwältigend eindeutigen Untersuchungsergebnisse die Wahrheit immer noch nicht akzeptiert und konnte bei der Entscheidung nicht behilflich sein. Ihr das Kind und die beiden sich selbst zu überlassen würde unweigerlich zur Katastrophe führen. MuLanLun mußte davon ausgehen, daß eine Wiederholung der Behandlung mit Tränken trotz aller Mühen auch wieder nur mit dem qualvollen Tod des Kindes enden würde. So beschloß sie, die Angelegenheit der Gerichtsbarkeit zu übergeben. Richter Di war seit einigen Jahren im Amt und hatte sich einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Wenn jemand ein weises und gerechtes Urteil fällen konnte, dann er.

Und so fällte Richter Di ein Urteil. Aus juristischer Sicht war der Fall sehr einfach. Ein über zweihundert Jahre alter kaiserlicher Erlaß regelte den Umgang mit YamaOni-Kindern kurz und bündig. Bei derart eindeutigen Anweisungen hatte auch ein Richter Di nur wenig Interpretationsspielraum. Der im Gerichtssaal vorgenommene Test mit Iriswurzeln und Wermutkraut bewies ganz offiziell, daß KaiLi ein YamaOni war. Da er mit seinen Taten noch keine Schuld auf sich geladen hatte, verurteilte Richter Di ihn zum sanftest möglichen Tod. Ihm wurde ein starkes Narkosemittel eingeflößt, und dann wurde er auf ein Bett aus Wermutkraut gelegt, von dem er sich nie wieder erheben würde.

MeiHuaLi

Sie hatten ihr Kind ermordet! Eine Untersuchung hatten sie versprochen, eine Heilung im Bedarfsfalle. Aber dann hatten sie es der Staatsgewalt ausgeliefert, und die hatte es ermordet.

Und dann hatten sie sie auf dieses Schiff gesetzt, das sie nach OnchiRa zurückbringen sollte.

Das Schiff rauschte durch die Nacht. MeiHuas rotgeweinte Augen blickten über die Reeling ins dunkle Wasser, dessen Gott KuTuh war. Man sagte, die jungen Frauen, die die Priester des KuTuh ihrem Gott opferten, würden in der Tiefe der See von Ungeheuern geschwängert. „So ist es also dem Gott gefällig, sich von Ungeheuern schwängern zu lassen? Ist das KuTuhs Ruf?“ Eine kurze entschiedene Bewegung reichte aus, und schmatzend empfingen sie KuTuhs kalte Arme.

Erst viel später bemerkten die Matrosen das Fehlen eines Passagiers.

Yao

Vier Jahre lang hatte er sie nicht mehr besucht. Kai war groß und kräftig geworden. Zu groß und zu kräftig. Er wußte, sie würden Fragen stellen. Und wenn sie Antworten auf diese Fragen bekämen, dann wäre alles aus.

Aber irgendwann würden auch andere Verdacht schöpfen. Irgendwann würden sie Kai etwas antun. Die Zeit war gekommen, er mußte Kai holen. Vielleicht würde MeiHua auch mitkommen. Aber er wollte sie nicht zwingen. Niemand sollte seine geliebte MeiHua mehr zu irgendetwas zwingen. KwanLi hatte sie schon zu lange gezwungen.

Yao näherte sich OnchiRa in der Nacht, in Menschengestalt. Vorsichtig öffnete er die Hintertür, durch die er schon einmal MeiHua besucht hatte, als Kwan außer Haus gewesen war. Er schlich ins Kinderzimmer, doch das Bett des kleinen Kai war leer. Hinüber in die Schlafkammer. Nur Kwan lag im Bett, das Scheusal, von dem MeiHua ihm so viel erzählt hatte. Was hatten sie mit MeiHua und Kai angestellt? Wut und Verzweiflung stieg in ihm auf. Ein Knurren entfuhr ihm, das Kwan aufweckte.

„Wo sind MeiHua und das Kind?“, schrie er Kwan an. Der schrie nur zurück und griff zum DaDao, der über dem Bett hing. Yaos Wut kannte keine Grenzen. Seine YamaOni-Gestalt bekam die Überhand. Während sein Körper um einen knappen Meter wuchs, seine Haut blau und seine Haare lang und feuerrot wurden, fuhr schon die magische Energie in seine Muskeln, die YamaOni so schnell und gefährlich machte. Kwans DaDao sauste von rechts heran und fügte ihm eine häßliche Wunde zu. Der Schmerz steigerte seine Wut nur. Er stürzte sich auf Kwan und biß tief hinein in dieses lächerlich weiche Menschenfleisch.

Der Kampf dauerte keine Minute, dann kehrte Ruhe ein ins blutbesudelte Schlafzimmer. Von draußen drangen Stimmen und Fackelschein in den Raum. Rasend vor Wut lief er aus dem Haus, dem Mob entgegen. „Was habt ihr mit meinem Sohn gemacht?“, schrie er ihnen entgegen. In ihren Gesichtern sah er nicht den Schrecken, den er normalerweise den Menschen einjagte. Eher so etwas wie grimmige Entschlossenheit. „Der komische Yü hatte Recht“, rief einer, „hoffen wir, daß seine andere Vermutung genauso stimmt.“ Sprach's, und warf mit einem kleinem Stück Holz nach Yao. Die anderen taten es ihm nach. Als des erste Geschoß Yao traf, durchfuhr ihn ein fürchterlicher Schmerz. Das war kein Holz, das waren Iriswurzeln! Nur fort, dachte er noch, hinfortfliegen. Doch dann wurde ihm schwarz vor Augen. Sein mächtiger Körper sank im Hagel der Wurzelstücke zu Boden, um nie wieder aufzustehen.