Mid5Umstiegsgutachten: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Das oben arg strapazierte Grundthema der Vereinfachung in M5 hat sich mittlerweile fast ins Gegenteil verkehrt. Zwar gibt es an vielen Punkten in der Tat Vereinfachungen, so wie oben ja zahlreich belegt, aber wenn man die mittlerweile zahlreich erschienenen Ergänzungen alle zuläßt, dann ist man mit M5 zumindest bei einem vergleichbaren Komplexitätsniveau angekommen. Man kann natürlich sagen, daß dies alles modulare Zusatzregeln sind, die man bei Bedarf hinzunehmen kann, die aber nicht zur inhärenten Komplexität beitragen. Nun ja, vielleicht. Aber vielleicht viel wichtiger ist, daß ich bei näherer Betrachtung das M5-Lernsystem mitnichten als eine Vereinfachung darstellen würde. Es ist eher ein Versuch, das Lernsystem zu generalisieren, so daß man nicht mehr detailliert ausgearbeitete Tabellen braucht, die jede Fähigkeit und jeden Zauberspruch einzeln abhandeln, sondern stattdessen eine Art Kategoriensystem hat, in das sich alles einfügt. Das mag ja gewisse Vorteile haben, aber es ist | + | Das oben arg strapazierte Grundthema der Vereinfachung in M5 hat sich mittlerweile fast ins Gegenteil verkehrt. Zwar gibt es an vielen Punkten in der Tat Vereinfachungen, so wie oben ja zahlreich belegt, aber wenn man die mittlerweile zahlreich erschienenen Ergänzungen alle zuläßt, dann ist man mit M5 zumindest bei einem vergleichbaren Komplexitätsniveau angekommen. Man kann natürlich sagen, daß dies alles modulare Zusatzregeln sind, die man bei Bedarf hinzunehmen kann, die aber nicht zur inhärenten Komplexität beitragen. Nun ja, vielleicht. Aber vielleicht viel wichtiger ist, daß ich bei näherer Betrachtung das M5-Lernsystem mitnichten als eine Vereinfachung darstellen würde. Es ist eher ein Versuch, das Lernsystem zu generalisieren, so daß man nicht mehr detailliert ausgearbeitete Tabellen braucht, die jede Fähigkeit und jeden Zauberspruch einzeln abhandeln, sondern stattdessen eine Art Kategoriensystem hat, in das sich alles einfügt. Das mag ja gewisse Vorteile haben (z.B. weniger Tabellen), aber es ist strukturell eher komplizierter. |
Womit wir bei dem Punkt angekommen sind, der mir bei M5 mittlerweile am meisten aufstößt (und der mir damals, als ich all die oben erwähnten Details zusammengetragen habe, gar nicht aufgefallen ist): Bis M4 gab es für die meisten Abenteurertypen ein paar sehr bezeichnende Fähigkeiten, die für andere Typen sehr teuer oder gar unmöglich zu lernen waren. Bei allen Vorzügen der „schwachen Typisierung“ führte dies dazu, daß verschiede Typen sich eben immer noch ausreichend unterschiedlich anfühlten und daß auch jeder Typ seine Sternstunden haben konnte, wo ihm kein anderer das Wasser reichen konnte (was relativiert, daß manche Typen auf mehr oder weniger typische Abenteuersituationen bezogen deutliche regeltechnische Vorzüge gegenüber anderen haben, wobei der PK wohl das berüchtigste Beispiel ist). Aber genau diese Spezialfähigkeiten lassen sich im generalisierten M5-System jenseits der Startfähigkeiten schlecht modellieren. Das Paradebeispiel hier ist der Zauber ''Vision'', der ein Inbegriff der Grundideen ist, auf denen der Abenteurertyp Schamane beruht. Auch hat dieser Zauber in der Regel sehr große Auswirkungen auf den Ablauf eines Abenteuers. In M5 ist es nun nicht nur so, daß dieser Zauber sehr vielen Typen zur Verfügung steht, er ist sogar für Priester ''leichter'' zu lernen als für Schamanen (weil er eben in die allgemeine Kategorie der Wundertaten fällt). | Womit wir bei dem Punkt angekommen sind, der mir bei M5 mittlerweile am meisten aufstößt (und der mir damals, als ich all die oben erwähnten Details zusammengetragen habe, gar nicht aufgefallen ist): Bis M4 gab es für die meisten Abenteurertypen ein paar sehr bezeichnende Fähigkeiten, die für andere Typen sehr teuer oder gar unmöglich zu lernen waren. Bei allen Vorzügen der „schwachen Typisierung“ führte dies dazu, daß verschiede Typen sich eben immer noch ausreichend unterschiedlich anfühlten und daß auch jeder Typ seine Sternstunden haben konnte, wo ihm kein anderer das Wasser reichen konnte (was relativiert, daß manche Typen auf mehr oder weniger typische Abenteuersituationen bezogen deutliche regeltechnische Vorzüge gegenüber anderen haben, wobei der PK wohl das berüchtigste Beispiel ist). Aber genau diese Spezialfähigkeiten lassen sich im generalisierten M5-System jenseits der Startfähigkeiten schlecht modellieren. Das Paradebeispiel hier ist der Zauber ''Vision'', der ein Inbegriff der Grundideen ist, auf denen der Abenteurertyp Schamane beruht. Auch hat dieser Zauber in der Regel sehr große Auswirkungen auf den Ablauf eines Abenteuers. In M5 ist es nun nicht nur so, daß dieser Zauber sehr vielen Typen zur Verfügung steht, er ist sogar für Priester ''leichter'' zu lernen als für Schamanen (weil er eben in die allgemeine Kategorie der Wundertaten fällt). | ||
Dennoch hätte ich wohl wenig Hemmungen, M5 zu spielen, wenn z.B. die Spieler neu sind bei Midgard und viel leichter sich ein M5-Regelwerk besorgen können als ein M4-Regelwerk. Leider wird es aber in nicht allzu ferner Zukunft wohl ebenso schwer werden, ein M5-Regelwerk zu kaufen, denn gedruckt wird dann nur noch M6, und das ist nochmal eine ganz andere Geschichte… (Ein M6-Umstiegsgutachten sollte ich vielleicht bald auch mal schreiben.) | Dennoch hätte ich wohl wenig Hemmungen, M5 zu spielen, wenn z.B. die Spieler neu sind bei Midgard und viel leichter sich ein M5-Regelwerk besorgen können als ein M4-Regelwerk. Leider wird es aber in nicht allzu ferner Zukunft wohl ebenso schwer werden, ein M5-Regelwerk zu kaufen, denn gedruckt wird dann nur noch M6, und das ist nochmal eine ganz andere Geschichte… (Ein M6-Umstiegsgutachten sollte ich vielleicht bald auch mal schreiben.) |
Version vom 28. November 2024, 10:21 Uhr
Mit dem Kodex und dem Arkanum liegen die ersten beiden Teile der fünften Edition des Midgard-Regelwerkes vor. Die Frage ist jetzt, ob sich für uns alteingesessene Spieler der Umstieg von M4 auf M5 lohnt.
Die Situation stellt sich ganz ähnlich dar wie damals bei dem Übergang von M3 auf M4. Damals hatte ich (Björn) mir so meine Gedanken gemacht und sie dann ausformuliert per Mail verschickt (übrigens mit der Schlußfolgerung, daß das "Upgrade" auf M4 sich lohnen wird - und so ist es dann auch passiert). Jetzt - wo es das Kampagnenwiki gibt - stelle ich mein "Umstiegsgutachten" zeitgemäß hier ein.
Da diese Seite öffentlich lesbar ist, sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich hier nicht um eine Rezension oder allgemeine Bewertung des neuen Midgard-Regelwerks handelt. Es geht lediglich darum, ob aus meiner Sicht ein Umstieg in unserer konkreten Situation sinnvoll erscheint oder nicht.
Inhaltsverzeichnis
Übersicht über die Änderungen
Ich werde zunächst einmal die wesentlichen Änderungen nach Gebieten gruppiert durchgehen und im einzelnen kommentieren.
(Es sei darauf hingewiesen, daß ich das neue Regelwerk noch nicht selber besitze. Meine Quelle ist im wesentlichen die ausführliche Darstellung der Änderungen im Midgard-Forum. Daher finden sich hier auch keine Anmerkungen über die Form, also Layout, Illustrationen oder Strukturierung.)
Abenteurertypen und Rassen
Etliche Abenteurertypen sind weggefallen: Söldner, Kundschafter, Ermittler, Seefahrer, Beschwörer, Thaumaturg, Heiler und Tiermeister. Außerdem wurde die Unterteilung von Barbaren, Hexern und Priestern aufgehoben bzw. (bei Priestern) stark vereinfacht (in Bewahrer und Streiter). Ich kann sehr gut nachvollziehen, was die Motivation für diese Vereinfachungen ist. Gerade der Einsteiger wird bei M4 gleich im ersten Kapitel schier erschlagen von der Vielfalt an Abenteurertypen, die sich zum Teil nur durch Details unterscheiden. Da wirkt eine bereinigte Abenteurertypstruktur doch viel einladender und klarer. Dem erfahrenen Midgärdner hilft die Vereinfachung allerdings herzlich wenig. Denn im laufenden Spiel ist es ja egal, wie viele Abenteurertypen sich im ersten Kapitel des Regelwerkes verbergen. Beim Lernen muß man sich durch ein paar mehr Tabellen wühlen, aber auch das stört im laufenden Spiel nicht. Hingegen kann man ständig die Vorteile einer größeren Zahl an Abenteurertypen genießen. Kleiner Exkurs in die Rollenspieltheorie: Anhänger von typfreien Rollenspielsystemen mögen den Einwand haben, daß ein typbasiertes Rollenspielsystem zu "Stereotypen" ermuntert. Jeder Krieger sieht aus wie jeder andere, jeder Kleriker ebenso, etc. Das Gegenargument ist zum einen, das dies nicht zwingend so sein muß. Gerade Midgard ist ja sozusagen "schwach typisiert", die Abgrenzungen sind nicht so starr. Zum anderen gibt es ja nicht nur die legendären Typen Krieger, Magier, Kleriker und Dieb. Gerade die Vielzahl an Typen führt möglicherweise zu weniger stereotypischen Abenteurern als bei einem typfreien System, denn die Wahl eines bestimmten Types "zwingt" einen gewissermaßen, Wege zu gehen, die man in einem typfreien System vielleicht nur aus rollenspielerischen, nicht aber aus spieltechnischen Erwägungen gegangen wäre. Lange Rede, kurzer Sinn: An Midgard mag ich, daß aufgrund "schwacher Typisierung" und einer Vielzahl an Abenteurertypen spieltechnische und rollenspielerische Aspekte "am gleichen Strang ziehen". Die Reduzierung der Anzahl an Abenteurertypen ist diesbezüglich nicht hilfreich. Erschwerend kommt hinzu, daß die neuen Regeln zur Charaktererschaffung (siehe nächster Abschnitt) zu einheitlicheren Abenteurern desselben Typs führen werden.
Die Werte von Nicht-Menschen wurden an verschiedenen Stellen leicht modifiziert, generell eher dahingehend, daß die Unterschiede zu Menschen verringert wurden (bis hin zu sowas wie Erkennen der Aura, das Elfen nun nicht mehr angeboren haben). Für mich war Midgard immer ein System für menschliche Charaktere. Nicht-Menschen sind die große Ausnahme und sollen sich spieltechnisch daher auch sehr anders "anfühlen". Sie werden von erfahrenen Spielern gespielt oder eben auch nur als zeitweilige Experimente. Hier die Unterschiede zu glätten finde ich einen Schritt in die falsche Richtung. Unbeschadet davon war die alte AP-Regelung für "kleine" Nicht-Menschen einfach kaputt. Die haben wir in den Hausregeln ja auch angepaßt, und die diesbezügliche M5-Änderung ist zu begrüßen.
Charaktererschaffung
Die wesentlichen Änderungen bei der Charaktererschaffung verfolgen zwei Ziele. Zum einen die allgegenwärtige Vereinfachung und Entschlackung, zum anderen sind Erstgradler jetzt deutlich "lebensfähiger" als früher.
Ein Nebenaspekt ist, daß die zufälligen Schwankungen an mehreren Stellen stark reduziert wurden.
Die Highlights:
- Der anfängliche 1W6-Wurf für die LP ist jetzt mindestens 4, der Glücksfaktor also deutlich geringer. Das hilft sicherlich, Frust zu reduzieren, wenn man bedenkt, wie wichtig die LP-Zahl für die Lebenserwartung eines Abenteurers ist.
- Die Sinne sind jetzt generell +6 statt +8 (und +8 statt +10 bei den angeboren besseren Sinnen).
- Eine oder zwei je nach Abenteurertyp typische Eigenschaften gibt es jetzt automatisch und kostenlos. Dies ist oft eine Eigenschaft, die für andere Typen am Anfang gar nicht und auch später sehr schwierig zu erlernen ist.
- Die Spezialwaffe wurde etwas liberaler gestaltet, Krieger haben nun sogar drei davon.
- Die materielle Ausstattung am Anfang wurde weniger zufällig und generell solider gestaltet.
- Berufe gibt es (spieltechnisch) nicht mehr.
- Darüber hinaus wurden die Regeln zur Bestimmung der Startfertigkeiten total umgekrempelt, mehr oder weniger den obigen Leitlinien folgend: geradliniger, weniger zufällig, bessere Startbedingungen.
Wie schon bei der Reduzierung der Anzahl der Abenteurertypen kann ich wieder sehr gut verstehen, wie diese Änderungen vor allem die Einstiegshürde für Neulinge verringern sollen. Das lächerliche Herumtappsen der Erstgradler hat schon so manchen Neuling frustriert. Ich persönlich finde es ja eher belustigend. Und wenn der mächtige Held zurückdenkt an seine unbeholfenen Anfänge, dann wandert ein Lächeln über sein Gesicht... Ich möchte dieses Gefühl eigentlich nicht missen. Und wenn ich mal einen Quickstarter brauche, dann werden eben noch 500 bis 1000 GFP verlernt, und der neue Abenteurer startet auf Grad 3... Schon klar, daß diese Möglichkeit nur erfahrenen Spielern offensteht. Das bedeutet aber auch, daß die Änderungen bei der Charaktererschaffung erfahrenen Spielern nicht wirklich viel nutzen.
Es gibt auch einen Aspekt, den ich sehr kritisch sehe: Die bessere und zuverlässigere "Anfangsausstattung" eines Abenteurers ist leider auch eine stärker (je nach Abenteurertyp) vorherbestimmte Anfangsausstattung. Waldläufer können jetzt eben immer Scharfschießen, Assassinen hingegen nie, um nur ein Beispiel zu nennen. Obendrein (siehe vorheriger Abschnitt) gibt es nun auch noch deutlich weniger Abenteurertypen. Ich befürchte also, daß die M5-Erstgradler eines bestimmten Abenteurertyps sich spieltechnisch sehr ähnlich sein werden und erst im Laufe ihres Abenteurerlebens ihren unterschiedlichen Hintergrund auch mit unterschiedlichen Werten untermauern können.
Fertigkeiten
Bei den Fertigkeiten wurde mal wieder einiges neu gemischt. Die komplette Liste ist zu lang, um sie hier komplett zu dokumentieren. Die generelle Tendenz ist aber klar zu erkennen: Die Anzahl an Fertigkeiten wurde deutlich reduziert durch folgende Maßnahmen:
- Einige wenige recht spezielle Fertigkeiten wurden einfach komplett rausgeworfen. Das geht von speziellen Kampftechniken, für die ich mir eine Anwendung in typischen Abenteuersituationen durchaus hätte vorstellen können (Kampf in Dunkelheit) über echte Obskuritäten (Fechten tevarrischer Stil) bis zu Fertigkeiten, die nur für spezielle Abenteurertypen so richtig relevant sind (Abrichten für den nun nicht mehr existierenden Tiermeister).
- Zusammenfassung von Fertigkeiten (z.B. sind Schauspielern, Verkleiden und Stimmen nachahmen in Verstellen aufgegangen).
- Eine Fertigkeit wird jetzt durch eine oder mehrere andere, bereits existierende Fertigkeiten mit abgedeckt (z.B. ist Himmelskunde jetzt Teil von Naturkunde, während Kräuterkunde jetzt teils zu Heilkunde, teils zu Pflanzenkunde gehört).
Insgesamt entschlackt diese Maßnahme nicht nur den historisch gewachsenen Wust an Fertigkeiten, sondern löst auch Abgrenzungsprobleme, mit denen sich die Hausregeln schon ausführlich auseinandergesetzt haben.
Ohne jetzt detailliert auf jede einzelne Änderung einzugehen (wo sich sicherlich auch ein paar problematische Aspekte finden werden, wie z.B. den Werfen-Exploit, siehe Abschnitt Kampf), gebe ich mal die Gesamtnote "äußerst begrüßenswert". Nur ein bißchen Wehmut kommt auf, denn ein Teil des nun beseitigten "historischen Ballasts" ließ die Midgard-Ursprünge im Umfeld des Schlachtensimulationsspiels Armageddon und der darauf aufbauenden Weltsimulation FOLLOW erahnen. Dazu gehören für den Neuling von heute reichlich kurios erscheinende Fertigkeiten zur Bedienung von größerem Kriegsgerät und Kampf in Gruppen (Kampf in Schlachtreihe, Ballista bedienen, Katapult bedienen, Schiffsführung) und der schier unglaubliche Detailgrad bei Pferde- und Wagenkampf (Kampf zu Pferd, Bogenkampf zu Pferd, Streitwagen lenken, Kampf vom Streitwagen, Schießen vom Streitwagen).
Automatische EW müssen nicht mehr kritisch erfolgreich sein, sondern erhalten „nur“ eine WM-8. Damit wird bei sehr guter Beherrschung einer Fertigkeit die Wahrscheinlichkeit, automatisch auf etwas aufmerksam zu werden, erhöht. Das finde ich begrüßenswert. Ironischerweise kann man diese Änderung allerdings als Verkomplizierung auffassen, die somit dem Grundgedanken der Vereinfachung zuwiderläuft. Automatische EW wurden auch schon in den Hausregeln behandelt, mit grob ähnlichen Wirkungen wie jetzt bei M5.
Erst spät bemerkt hatte ich eine gänzlich wunderbare Änderung: Die Leiteigenschaft gibt ab sofort nicht nur einen +1- oder +2-Boost bei der Charaktererschaffung, sondern erzeugt einen Bonus analog zum Angriffs- oder Abwehrbonus, der grundsätzlich bei der entsprechenden Fertigkeit berücksichtigt wird. Das ist konsistenter und macht die Leiteigenschaft wesentlich wichtiger. Genau diese Änderung war ich schon versucht einzuführen, bevor es M5 überhaupt gab. Bei M5 wurden dann allerdings gleich die Mindesteigenschaftswerte für Fertigkeiten abgeschafft, was ich verstehen kann, aber wieder zu einer gewissen Nivellierung der Unterschiede zwischen SpF führt. Andererseits wurde offenbar auch – weiterhin in Analogie zum Angriffs- bzw. Abwehrbonus – auch ein Malus bei besonders niedrigen Werten für die Leiteigenschaft eingeführt. (Ich bin mir nicht sicher, ob der ab 20 einsetzt. Wenn dem so ist, dann ist er für SpF selten relevant, weil derart niedrige Werte recht unwahrscheinlich sind.)
Kampf
Die Handlung Schießen bzw. Werfen beinhaltet nun ausdrücklich das "Nachladen" bzw. das Ziehen der nächsten Wurfwaffe. Das mag wie ein Detail erscheinen, aber es war uns eine Hausregel wert. (Im Gegensatz zur Lösung in den Hausregeln erscheint es bei M5 allerdings inkonsistent, daß das Ziehen einer Nahkampfwaffe (selbst einer kleinen) offenbar eine eigene Handlung bleibt - vgl. das Ziehen eines Dolches für einen darauf folgenden Nahkampfangriff mit dem Ziehen eines Wurfmessers zum darauf folgenden Werfen.)
Konzentrierte Abwehr wurde mit dem Lösen vom Gegner zusammengelegt. Man bekommt jetzt pauschal WM+4 auf Abwehr, und der Angriff enfällt dafür ganz. Wenn man in Betracht zieht, wie selten die konzentrierte Abwehr eingesetzt wird, erscheint mir das eine sinnvolle Vereinfachung.
Den Rückzug eines Kameraden decken wurde vereinfacht (keine PW mehr).
Der Zangenangriff wurde abgeschafft.
In derselben Runde aufstehen und angreifen kann jetzt jeder (keine Akrobatik mehr nötig). Wer zu Boden stürzt, kann in derselben Runde wieder aufstehen, dann aber nicht mehr angreifen (sprich wer einen höheren Handlungsrang hat, erleidet wohl gar keine Nachteile mehr, wenn er im Kampf umgeworfen wird). Kommt mir seltsam vor, weil das Timing noch komplizierter wird als eh schon...
Entgegen des generellen Trends zur Vereinfachung wird der persönliche Schadensbonus nicht mehr für den zweiten Angriff beim Fechten bzw. beim beidhändigen Kampf angerechnet.
Für Angriffe im Handgemenge gibt es keine WM+4 mehr. Ebenso gibt es beim Lösen aus dem Handgemenge keine WM+4 auf Raufen mehr. Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll. Wodurch das wohl motiviert war? Eine WM weniger, die man sich merken muß? Allerdings bekommt nun der WW:Raufen gegen das Losreißen im Handgemenge WM+4...
Das Führen von zweihändigen Hiebwaffen führt nicht mehr zu WM-2 auf Abwehr. Wahrscheinlich war dies auch eine der "meistvergessenen Regeln". Ich persönlich finde sie schon wichtig für die Spielbalance.
Werfen ist jetzt keine (teuer zu lernende) Waffenfertigkeit mehr, sondern in der (recht günstig zu lernenden) allgemeinen Fertigkeit Gaukeln aufgegangen. Das führt möglicherweise dazu, daß es sich mehr lohnt, sich auf präzises Werfen von Gegenständen als improvisierte Wurfgeschosse zu spezialisieren als eine "anständige" Wurfwaffe zu lernen. Das erscheint mir wie ein Exploit.
Der gezielte Angriff wurde abgeschafft. Das ist sehr schade, denn ich finde es wichtig, daß ein komplexes Rollenspielsystem eine (optionale!) Regel für gezielte Angriffe enthält, und zwar weniger, um die Komplexitätsfetischisten zu befriedigen (vom R-Wort wollen wir gerade beim Kampf ohnehin nicht reden), sondern um Kämpfe (inhaltlich) farbiger, (spieltechnisch) taktischer und damit weniger stereotyp zu gestalten. Außerdem gibt es mitunter echte Handlungsrelevanz, wenn z.B. ein Vampir geköpft oder dem Besessenen die Hand mit dem verfluchten Ring abgeschlagen werden muß. Der gezielte Angriff bis M4 war allerdings "kaputt". Zwar war er regeltechnisch optional, aber spieltechnisch war es - wie in den Hausregeln erläutert -, fast immer besser, gezielt statt "normal" anzugreifen. Die Hausregeln reparieren das Problem auf einfach Art und Weise.
Gezielte Schüsse und Würfe gibt es übrigens noch - und sie sind nun sogar im Fernbereich möglich.
Bola, Netz, Garotte und Lasso wurden abgeschafft. Natürlich entledigt man sich damit jeder Menge komplizierter Regeln. So langsam drängt sich mir aber der Eindruck auf, daß die M5-Kämpfe ziemlich stereotyp ablaufen werden. Gründe dafür, eine andere Waffe als den "Standard" zu benutzen, gibt es kaum noch, und selbst wenn, würden sie sich auch spieltechnisch nicht viel anders "anfühlen".
Folgen von Angriffen bzw. Verletzungen (siehe auch Abschnitt über LP/AP):
- Wenn ein Angriff mit Gift keinen LP-Schaden macht, muß kein PW:Gift mehr gewürfelt werden, um die Giftwirkung zu vermeiden. Dieser PW war zuvor um RK*10 erleichert worden. Dies ist konsistent mit der generellen Tendenz zur Vereinfachung.
- Die Tabellen für kritische Erfolge/Fehler/Schaden wurden generell leicht überarbeitet. Beim kritischen Schaden ist die Tabelle eher komplexer statt einfacher geworden. Folgen kritischer Beinverletzung sind jetzt differenziert nach "Wunde unversorgt", "Wunde versorgt", und "mit Stock". Kritischer Schaden ohne LP-Verlust wurde generell entschärft (was interessanterweise dem Geiste unserer Hausregel bei gezielten Angriffen entspricht).
- Zusätzlich zu SG gibt es jetzt auch Glückspunkte (GP), die nur für eine Sitzung "halten".
Magie
Der Zauberbonus fällt jetzt weniger extrem aus. Im Gegenzug wurde der Resistenzbonus ebenfalls ein wenig abgeflacht. Die Umgebungsresistenz wurde gleich ganz abgeschafft. Gegen Umgebungsmagie wird jetzt grundsätzlich eine Abwehr gewürfelt, was erfreulicherweise sehr langen Diskussionen ein Ende setzt, ob nun nach einem Umgebungszauber eine Resistenz oder eine Abwehr oder beide gewürfelt werde und was der jeweilige Wurf nun genau repräsentiere.
Die WM-2 auf Normal- und Ausnahmezauber ist weggefallen. Sie wurde sicherlich eh von vielen vergessen. Ich finde sie aber durchaus sinnvoll im Sinne der spieltechnischen Unterscheidung von Charakterklassen (s.o.). Immerhin gibt es WM+2 für Magier bei ihrer Spezialisierung.
Bei 1sec-Zauber ist der Zauberer nicht mehr wehrlos, was die legendäre Schwäche von Midgard-Zauberern im direkten Nahkampf abmildert. Allerdings wurden offenbar die Zauberdauer bei etlichen Sprüchen von 1sec auf 10sec erhöht, was diesen Vorteil wieder relativiert. Persönlich hatte ich nie ein Problem mit der Nahkampfschwäche von Zauberern. Im Gegenteil, gerade die situationsbedingt sehr weitreichenden Auswirkungen der Zauberei erfordern spieltechnisch einen Ausgleich. Ein Zauberer ist eben nur dann mächtig, wenn er von seinen kampfstarken Gefährten beschützt wird.
Die Thaumaturgie wurde weitgehend entfernt, was konsistent ist mit der Abschaffung des Thaumaturgen als Abenteurertyp. Offenbar soll es für Thaumaturgie einen gesonderten Regelband geben, das ist also wohl eher aufgeschoben als aufgehoben. Ähnliches gilt wohl für den Beschwörer und die Beschwörungsmagie (die ja schon in M4 in einen separaten Band ausgelagert worden waren). Interessant ist, daß der Thaumaturg und der Beschwörer mit den zugehörigen umfangreichen Regelteilen Midgard-historisch "jung" sind, also erst in M3 eingeführt wurden und offenbar immer noch nicht so recht etabliert sind. Ich finde beide Abenteurertypen interessant, allerdings nur für erfahrene Spieler, die den zusätzlichen Regelaufwand meistern können und die die spieltechnischen Einschränkungen nicht stören.
Zaubermaterial wird nur noch bei einem kritischen Fehler verbraucht, ist im Gegenzug aber entsprechend teurer. Dies erleichtert vor allem die Buchführung.
Der PW auf ABW wird nun wieder (wie meist bei M3) nach der Anwendung gewürfelt, nicht mehr (wie bei M4) davor. So ein Hin und Her...
Gegenzaubern ist abgeschafft. (Ich vermute, weil es eh selten benutzt wurde... Allerdings wird es offenbar in "erweiterten Regeln" enthalten sein.)
Zauberlieder verfügen nun über eine Zauberdauer, was wahrscheinlich in etwa der Anmerkung über Zauberlieder in den Hausregeln entspricht.
Die negative WM nach kritischen Fehlern beim Wunderwirken sind nicht mehr kumulativ.
Ähnlich wie bei den Fertigkeiten gibt es bei den einzelnen Zaubern eine Vielzahl an kleineren und größeren Änderungen, die hier nicht alle aufgelistet werden können. Ein paar Punkte, die mir besonders aufgefallen sind:
- Endlich, endlich wurde Funkenregen repariert (zwar anders als in den Hausregeln, aber dennoch).
- Schlaf wirkt nicht mehr auf Opfer in lebensbedrohlicher Situation. Das finde ich mal wirklich sinnvoll. Selbst Macht über Menschen (Stufe 3) hat eine "Sperrklausel" gegen offensichtlich dem Opfer schadendes Verhalten. Da sollte man mit Schlaf (Stufe 1) nicht einfach einen Einbrecher vom Dach abstürzen lassen können...
- Heilen schwerer Wunden kann nun auch schwere Verletzungen (wie Armbrüche) heilen. Man muß also hierfür nicht mehr das ganz schwere Geschütz der Allheilung auffahren. Dies ist sicherlich eine Konzession an die Spielbarkeit. Die Diskussion um das recht langfristige faktische Ausscheiden von Abenteurern nach kritischen Treffern ist wohl so alt wie Midgard selbst. Obwohl es auch immer Stimmen gab, die das ganz im Sinne der traditionell "harten" Midgard-Kampfregeln fanden, haben doch viele Gruppen Hausregeln eingeführt, nach denen auch "normale" Heilzauber die Heildauer auf die eine oder andere Art und Weise verkürzen - so auch wir für M3. M4 hat dann allerdings sehr klargemacht, daß die lange Heildauer auch wirklich so gedacht ist und eben nur mit Allheilung bzw. mit in M4 neu eingeführten Zaubern wie Blutmeisterschaft oder den Klängen der Genesung abgekürzt werden kann. Also haben wir unsere Hausregel für M4 gestrichen. Irgendwie ironisch...
Erfahrung
Das Erfahrungs- und Lernsystem wurde sehr grundlegend glattgezogen und vereinfacht. Neben der Charaktererschaffung ist es die zweite Großbaustelle bei M5.
Auch hier ist wieder zu spüren, daß Midgard für Einsteiger weniger abschreckend gestaltet werden soll. Die ganze komplizierte Vergabe von drei verschiedenen EP-Arten, die dann in FP umgewandelt werden, wobei PP und GS alternative FP-Quellen sind, die in gewissen Mindest- und Höchstverhältnissen beigemischt werden müssen - das ist schon alles sehr fitzelig. Mal wieder ist es eher abschreckend als wirklich ein Hemmschuh für den Spielablauf, denn die EP-Vergabe nimmt der (hoffentlich sehr erfahrene) Spielleiter vor, während man sich durch die ganzen Lerntabellen nur in der Lernphase wühlt, die ja in der Regel außerhalb ausgespielter Handlungsabläufe stattfindet.
Allerdings ist auch ziemlich klar, daß die M4-Lernregeln Probleme haben, wie man klar an dem Wildwuchs von Hausregeln in diesem Bereich erkennen kann. Häufig dreht es sich dabei um die Geldmengen, die das Lernen verschlingt. Auch wir haben umfangreiche Hausregeln, die sich gut bewährt haben (obwohl sie ironischerweise die Sache mit dem Geldbedarf eher erklären als ändern...).
Die nun für M5 vorgenommenen Änderungen sind so umfangreich, daß ich sie hier nicht vollständig beschreiben kann. Im Groben:
- Die EP-Vergabe funktioniert im Detail anders.
- PP für allgemeine Fertigkeiten gibt es jetzt immer bei einem erfolgreichen Wurf, wenn der Würfel 16-20 zeigt. (Was dem gleichen Geist folgt wie unsere Hausregel zu PP.)
- Beim Lernen werden nicht mehr FP, sondern sogenannte Lerneinheiten erworben (LE). Der GS-Aufwand ist hierbei wesentlich geringer.
- Die LE-Kosten sind deutlich einheitlicher gestaltet. Waffen werden jetzt in Gruppen gelernt. (Also keine komischen Effekte mehr wie "Ich kann Dolch auf +18. Warum kann ich dieses unwesentlich größere Kurzschwert nur auf +4?")
- Bei Fertigkeiten gibt es generell keine Bedingungen mehr für Mindestwerte bei den Basiseigenschaften. Die Leiteigenschaft verschafft allerdings einen dauerhoften Bonus auf den Erfolgswert. (Siehe oben Abschnitt Fertigkeiten.)
- Alle Fertigkeiten können bis auf exakt +18 gesteigert werden.
- Es gibt keine Grad- oder Typbeschränkungen für das Hochlernen von Waffen oder wenn man hochstufige Zaubersprüche lernen will.
- Grade sind jetzt feiner gestaffelt und nach oben offen. Der Gradanstieg errechnet sich nicht mehr nach GFP, sondern nach den erhaltenen EP. Geld- und PP-Einsatz spielt keine Rolle mehr.
- AP, Abwehr, Resistenzen und Zaubern erhöhen sich automatisch beim Gradanstieg.
- Zauber-PP können jetzt generell zum Erlernen neuer Sprüche verwendet werden. (Offenbar sogar mitten im Abenteuer...)
- Für Wundertaten und Druidenzauber gibt es jetzt ein Spruchrollenäquivalent: göttliche Eingebungen bzw. Ogamstäbe.
Einige der kleineren Änderungen sind mir durchaus sympathisch. Die Gruppierung bei den Waffenarten ist nicht nur eine Vereinfachung, sondern macht vielleicht sogar mehr Sinn als die alte Regelung. Die Ausweitung der Leiteigenschaftsboni gefällt mir auch gut. Die Kopplung von Basiseigenschaften an Fertigkeiten ist bei Midgard ja traditionell schwach, was ich manchmal sogar gut, insgesamt aber eher seltsam finde. Durch die Aufhebung der Mindestwerte wird die Kopplung aber gleich wieder abgeschwächt. Hmmm... Die grad- bzw- typabhängigen Beschränkungen bei Zaubersprüchen bzw. Waffen aufzuheben finde ich begrüßenswert. Das waren Regeln, die in der Praxis kaum eine Rolle spielten. (Außerdem wird so eine der "unreinen Rückkopplungen" vom Grad auf die Lernmöglichkeiten entfernt, siehe unten.)
Mit den tiefer eingreifenden Änderungen kommen wir aber zum problematischen Teil. Mein Hauptbauchschmerz ist im Grunde genommen eher akademisch begründet. Midgard ist ja, trotz der Existenz von Graden, essentiell kein levelorientiertes System. Bei einem levelorientierten System sammelt man Erfahrungspunkte, steigt dadurch im Level, was dann wiederum zur Verbesserung der Werte führt. Bei Midgard ist es (meistens) genau andersherum: Man sammelt Erfahrungspunkte, mit denen man seine Werte verbessert, wodurch man wiederum im Level steigt. Der Level (bzw. Grad) ist also nicht Bedingung für das Lernen, sondern seine Folge. Eigentlich ist Midgard levelfrei. Der Grad mißt lediglich die gemachten Fortschritte. "Und das ist auch gut so." Ein paar "Unreinheiten" gibt es dann doch, denn der Grad limitiert AP, Abwehr, Resistenz und Zaubern. Hier herrscht also eine Rückkopplung vom Grad auf die Lernmöglichkeiten. Dies kann man als Konzession an die Spielbalance verstehen. Immerhin, sozusagen zur Ehrenrettung, muß man auch diese Steigerungen mit FP bezahlen. Der Grad setzt eben nur eine obere Grenze der Lerngeschwindigkeit. Mit M5 fällt diese Bezahlung weg. AP, Abwehr, Resistenz und Zaubern steigen automatisch mit dem Grad. In der Praxis ist das kein großer Unterschied, hat man diese Steigerungen eh so bald wie möglich nach dem Gradanstieg durchgeführt. Dennoch ist das sozusagen ein Verstoß gegen das heilige Grundprinzip. Was dann aber wirklich praktische Auswirkungen haben kann, ist, daß jetzt nicht mehr das wirklich Gelernte, sondern die EP den Gradanstieg diktieren. Vor allem die Nichtberücksichtigung von PP ist hier wesentlich. Je nach Szenario habe ich starke Schwankungen gesehen im Anteil des Lernens mit PP. In einer Situation, wo ein Abenteurer viel durch Praxis lernt, steigt er nun langsamer im Grad. Der Grad ist dann kein gutes Maß mehr für das Gelernte. Die direkte Kopplung an den EP-Stand (nicht FP oder LE!) zusammen mit der instantanen Erhöhung von AP, Zaubern, Resistenz und Abwehr gibt dem Ganzen doch sehr das Gefühl eines levelbasierten Systems á la DSA oder D&D. Man kann nun immer noch argumentieren, daß im Mittel der PP-Fluß dann doch ziemlich mit dem EP-Fluß korreliert ist und am Ende doch irgendwie das gleiche herauskommen wird, weshalb ich meine Bedenken als akademisch bezeichnet habe. Bedenken sind es aber dennoch...
Insgesamt ist bei den Änderungen im Lernsystem wieder klar der Drang zur Vereinfachung zu bemerken, und das wiederum bei einem Teil der Regeln, der gerade für Neulinge geradezu abschreckend kompliziert ist. Für erfahrene Spieler ist allerdings ähnlich wenig gewonnen wie beim Thema Charaktererschaffung. Lernphasen halten das normale Spiel nicht auf, mitunter handelt man sie zwischen Spielleiter und Spieler per E-Mail ab. Sie dürfen ruhig etwas komplizierter sein. Die Besonderheiten bestimmter (traditionell besonders schwerer) Fertigkeiten und eine gewisse Flexibilität beim Lernen werden Opfer des Glattziehens.
Mit dem Zustand der M4-Lernregeln nach den (behutsamen) Eingriffen unserer Hausregeln bin ich eigentlich sehr zufrieden. Die Glattzieherei und das Abwenden vom "heiligen Prinzip der Levelfreiheit" sehe ich da eher als Rückschritt.
LP/AP
- AP werden jetzt mit W3 gewürfelt (also geringere Varianz), sind dafür im Durchschnitt aber leicht erhöht. (Zuvor konnte man im Prinzip ja mehrfach die AP-Steigerung vornehmen, so daß man - bei entsprechendem Aufwand - sich weiter in den oberen Bereich der größeren Varianz bewegen konnte.) Diese Änderung ist konsistent mit der geringeren Varianz bei den LP. Hier sollte wohl der Glücksfaktor etwas verringert werden.
- Bei 0 AP besteht nun die Möglichkeit, einen Abwehrwurf durchzuführen. Allerdings mit -4 und ohne Einsatz einer Verteidigungswaffe. Dies verwirrt mich etwas, steht es doch im Widerspruch zu der sonstigen Tendenz zur Vereinfachung. Dieser Wurf wird meist eh mißlingen, sorgt aber für zusätzliche Würfelei.
- Bei halben LP gibt es keine WM-2 auf EW mehr. Dies ist eine der am häufigsten vergessenen Regeln bei den vorigen Editionen, insofern kann man konkret nicht viel dagegen einwenden. Siehe aber meine generellen Anmerkungen zur Vereinfachung weiter unten.
- Bei Sinken der LP auf 3 oder weniger gibt es jetzt keinen Wurf auf einer Tabelle für schwere Verletzungen mehr. Stattdessen tritt immer die Möglichkeit eines Schocks ein. Mit 3 oder weniger LP kann man jetzt mit B4 kriechen statt mit B3. (Was für eine Erleichterung... :)
- Die AP-Regenerierung wurde etwas erleichtert und folgt damit dem Geiste unserer Hausregel.
Sonstiges
Kleinere, aber nicht unwesentliche Änderungen:
- Offenbar kann man jetzt eigene Handlungen verzögert ausführen (damit sie später eintreten als nach dem eigentlichen Handlungsrang?).
- Rüstungen behindern generell (Klettern, Schwimmen,...) ein wenig weniger als bei M4. Obendrein sind Arm- und Beinschienen immer schon enthalten (hat wohl eh jeder benutzt...).
- Die Regeln für den sekundengenauen Handlungsablauf sind verschwunden. (Die waren auch reichlich vage, siehe Hausregeln.)
- Die Trinkregeln wurden überarbeitet (u.a. wird man jetzt schneller bewußtlos :).
Selbstverständlich ist diese Übersicht nicht erschöpfend. Dank der Emsigkeit der Teilnehmer im Midgard-Forum kann man wohl davon ausgehen, daß ich nichts übersehen habe. All die nicht erwähnten Änderungen habe ich schlicht für zu wenig relevant für die Umstiegsentscheidung gehalten.
Was ich mir gewünscht hätte...
Wenn ich in mich gehe und mich frage, was ich an M4 für die nächste Edition geändert hätte, komme ich zumeist auf ganz andere Ergebnisse als das, was wir jetzt mit M5 bekommen haben.
Zunächst könnte man natürlich unsere Hausregel heranziehen und fordern, daß eine Neuauflage nach unseren Wünschen deren Inhalte übernehmen sollte oder zumindestens die dort gelösten Probleme ebenfalls lösen sollte, wenn vielleicht auch auf andere Art und Weise. Das ist ja in einigen Fällen sogar geschehen, siehe dazu die Schlußfolgerung unten. Die Hausregel will aber in erster Linie nicht wirklich Regeln ändern, sondern eher Regellücken im Geiste der Regeln füllen und behutsam einige persönlich erwünschte Ergänzungen anbringen. In einer Neuauflage könnte man aber viel radikaler vorgehen.
M5 steht unter dem Stern der Vereinfachung und Entrümpelung, was an sich ja auch sehr begrüßenswert ist. Allerdings stehe ich Vereinfachungen zwiespältig gegenüber, wie unten in der Schlußfolgerung ausführlicher erläutert. Würde man mich aber fragen, was ich als erstes vereinfachen würde, ohne die Reichhaltigkeit des Systems dabei merkbar zu schwächen, dann wäre die Antwort ganz klar: Ich würde alle auf der 100er-Skala basierenden Werte durch 5 teilen und den PW abschaffen. Was spricht dafür?
- Die Unterscheidung zwischen der 100er-Skala für Eigenschaften und der 20er-Skala für Fertigkeiten ist rein historisch bedingt und Neulingen kaum zu vermitteln, zudem die Grenze seit M4 durch die Sinne (die eigentlich angeborene Eigenschaften sind, aber wie Fertigkeiten behandelt werden) und WW gegen Eigenschaft/10 eh verwischt worden ist. Wann ist die feine Unterteilung in 100 Schritte schon mal von Bedeutung? Normalerweise sollten 20 Schritte (wie bei Fertigkeiten) völlig ausreichen. Bei der Gw gibt es noch am ehesten einen praktischen Vorteil, weil beim Handlungsrang es seltener einen Gleichstand gibt...
- Die Auswirkung einer WM ist bei PW und EW genau gegenteilig ("+" ist eine Erschwerung bei PW und eine Vereinfachung bei EW, bei "-" genau umgekehrt). Das ist alles andere als intuitiv.
- Man kann den W100 ja gerne noch für freie Prozentwürfe benutzen oder so. Aber er wird vom Kern des Regelsystems nicht mehr benötigt, was sogar eine materielle Vereinfachung bedeutet.
Diese Vereinfachung wäre nicht nur eine Verkürzung der Regeln. Die Vorteile wären auch während des gesamten Spielablaufs spürbar (während die vereinfachte Charaktererschaffung und das vereinfachte Lernsystem nur in Momenten greifen, die eh nicht Teil des eigentlichen Rollenspielens sind).
Ansonsten stört mich an den M4-Regeln eigentlich nichts grundsätzlich. Das Problem sehe ich eher in der Präsentation, nämlich einerseits in Struktur und Layout, andererseits in der Formulierung. Ich selbst habe ja einige Erfahrung im Regelschreiben für Brettspiele. Ich finde, auch eine Rollenspielregel sollte so klar und eindeutig geschrieben sein wie eine Brettspielregel. Natürlich kann man im Rollenspiel über Ambiguitäten recht leicht hinwegimprovisieren, aber eine präzise Regel hilft im Zweifelsfalle, Mißverständnisse und Regelfragen zu vermeiden, die dann einem fantasievollen Rollenspiel nicht mehr im Wege stehen. Anders gesagt: Die Fantasie gehört ins Rollenspiel selbst, nicht in die Regeln bzw. deren Nutzung.
Die Midgard-Regeln kommen dem mit ihrem traditionell spröden Charme durchaus entgegen. Bis M3 waren die Regeln auch duchaus sehr knapp verfaßt, was daran lag, daß es jeweils den Grundregelband bzw. die -box gab und dann einen separaten Band (bzw. Box) für die fortgeschrittenen Regeln. Durch diese Zweiteilung war jeder einzelne Teil kurz genug, so daß Layout- und Strukturierungsprobleme nicht sehr relevant waren. Die Zusammenlegung von Grund- und Fortgeschrittenenregeln bei M4 (abgelöst durch die thematische Trennung in allgemeine Regeln, Magieregeln, Bestiarium und Beschwörungen) hat sicherlich viele Vorteile, aber Layout und inhaltliche Struktur machten es schwer, Kernregeln von optionalen bzw. fortgeschrittenen Regeln zu unterscheiden und überhaupt die Übersicht zu bewahren. Dieser Aspekt mag mit M5 sogar besser geworden sein. Ich konnte wie gesagt das Layout der Regeln noch nicht selbst in Augenschein nehmen.
Was aber wahrscheinlich immer noch ungelöst ist, ist die mangelnde Präzision bei der Regelformulierung. Ich finde (aus meiner Sicht als Kenner sehr komplexer Brettspiele) z.B. die Regeln um das Timing häufig sehr ungenau (wie man auch den Hausregeln entnehmen kann). Die Handlungsreihenfolge bestimmt der Handlungsrang, so weit so gut. Aber wann entscheidet sich eine Spielfigur für ihre Handlung? Es gibt Hinweise darauf, daß dies am Anfang der Handlungsphase gleichzeitig geschieht, aber so richtig klar steht das nirgends geschrieben. Eine wenig gewandte Figur sollte wohl auch keinen Vorteil aus ihrer späten Handlung ziehen können, indem sie auf die Handlungen der anderen noch reagieren kann. Anderes Beispiel fürs Timing: Wann genau beginnt und endet ein Zustand wie z.B. eine Bewußtlosigkeit von 10sec Dauer? Sofort ab dem auslösenden Ergeignis bis zum Ende der Runde? Ab dem Beginn der nächsten Runde bis zu deren Ende? Ab sofort bis zum Ende der nächsten Runde? Oder ab sofort bis zum genau gleichen Zeitpunkt in der nächsten Runde? (Letzteres hört sich am logischsten an, ist aber spieltechnisch kaum umzusetzen.) Ein Beispiel für unklare Benutzung von Begriffen ist der der Handlungsunfähigkeit, der mal hier, mal da in (anscheinend) unterschiedlichen Bedeutungen benutzt wird. Es scheint so zu sein, daß eine Abwehr keine Handlung im eigentlichen Sinne ist, also eine Handlungsunfähigkeit nicht mit Wehrlosigkeit gleichzusetzen ist. Auch hier wären klare Worte hilfreich - präziser Gebrauch der Begriffe, konsistente eindeutige Definitionen. Die Hausregeln listen neben der Handlungsunfähigkeit im eigentlichen Sinne sieben weitere Varianten von Handlungsunfähigkeit auf, die an jeweils unterschiedlichen Stellen der Regeln auftreten. Hier fragt man sich, ob diese Abstufungen wirklich alle nötig sind bzw. überhaupt so beabsichtigt waren.
Diesbezügliche Schritte in die richtige Richtung scheint es in M5 wohl schon zu geben. So ist der Begriff der Konzentration auf einen Zauber während der Wirkungsdauer nun sehr genau geklärt (z.B. daß Abwehr und Resistenz erlaubt ist; es gibt jetzt auch eine eigene Markierung für Zauber, auf die sich der Zauberer während der Wirkungsdauer konzentrieren muß). Vielleicht gibt es auch weitere Formulierungsverbesserungen, die mir mangels Regelexemplar entgangen sind.
Schlußfolgerung
Endlich ist die Zeit gekommen, die entscheidende Frage zu beantworten: Ist ein Umstieg von M4 auf M5 für unsere Runden empfehlenswert?
Stellt sich die Frage überhaupt?
Erstmal ein ketzerischer Gedanke: So relevant ist die Frage vielleicht gar nicht. Der Umfang aller Änderungen sieht zwar gewaltig aus. Bedenkt man aber, daß sehr viel an Details gefeilt wurde und insbesondere sich die Midgard-Redaktion offensichtlich die im Midgard-Forum halb scherzhaft geführte "Liste der meistvergessenen Regeln" sehr zu Herzen genommen hat, sprich viele Sachen glattgezogen hat, die eh meist unter den Tisch gefallen sind, dann bleiben eigentlich nur die beiden Großbaustellen Charaktererschaffung und Erfahrungs- bzw. Lernsystem als wirklich relevante Änderungen übrig, die wiederum während des "normalen" Rollenspiels buchstäblich kaum eine Rolle spielen...
Kurzer Exkurs hierzu: M1 kam 1981 raus. Vier Jahre später M2 (also 1985), nochmals vier Jahre später M3 (1989). Bis M4 hat es weitere 10 Jahre gedauert (1999), bis M5 sogar 14 Jahre (2013). (Ich habe hier jetzt immer die "erste Zuckung" einer neuen Regeledition zugrundegelegt.) Die Abstände werden also größer, während der Umfang der Änderungen eher kleiner wird. Jedenfalls finde ich die Änderungen von M1 zu M2 schon ziemlich radikal. M2 zu M3 war ein viel kleinerer, aber doch recht bedeutender Schritt. M3 zu M4 hat dann eigentlich schon nichts Grundsätzliches mehr angerührt, und M4 zu M5 besprechen wir hier gerade. Man kann hier also wirklich von einer Art Konvergenz sprechen. (Böse Zungen mögen auch behaupten, daß die Bedeutung von Pen&Paper-Rollenspielen im allgemeinen und Midgard im besonderen so stark zurückgehe, daß es einfach nicht genug Bedarf für Regeländerungen und Neuauflagen gebe...)
Nichtsdestotrotz, bei neuen Szenarion nach M5 wird man schon genau hinschauen müssen, um überhaupt den regeltechnischen Unterschied zu M4-Szenarien zu erkennen. (Am meisten dürften die nun höheren Grade ins Auge fallen.) Ich sehe wenig Probleme, die hier durch Weiterverwendung der M4-Regeln enstehen würden.
Werden die Hausregeln dünner?
Eine ganz gute Faustregel ist, ob eine neue Edition die Notwendigkeit für Hausregeln reduziert. Beim Übergang von M3 zu M4 konnten wir etliche Passagen aus den Hausregeln streichen. Wie schneidet hier M5 ab? Der Abschnitt über Fertigkeiten wird sicherlich deutlich kürzer. Das ganze Kapitel über Erfahrung und Lernen ist durch das neue Lernsystem obsolet. Die Frage ist, ob das neue System eine ähnliche Anzahl an Hausregeln nach sich ziehen wird ober ob wir mit ihm zufrieden sein werden, wie es ist. Ansonsten gibt es vielleicht ein paar weitere einzelne Absätze, die in M5 zufriedenstellend geklärt sind, aber in den meisten Fällen wird die jeweilige Hausregel wohl Bestand haben. In Sachen gezielter Angriff werden die Hausregeln sogar umfangreicher, wenn man nicht mitziehen will und den gezielten Angriff gleich ganz abschafft.
Das Ergebnis ist also ein klares Jein. Im Endeffekt hängt es daran, ob man sich mit dem neuen Lernsystem anfreunden kann.
Mehrwert von M5 für Einsteiger vs. Fortgeschrittene
Wie oben schon bei den verschiedenen Punkten angemerkt, erscheinen die beiden Großbaustellen Charaktererschaffung und Lernsystem wie gemacht für Einsteiger. Die zugegebenermaßen sehr abschreckend komplizierten Regeln wurden hier erfolgreich entschärft. Da die entfernte Komplexität aber nicht das eigentliche Rollenspiel aufgehalten hat, ist der Nutzen eher psychologischer Natur und für Fortgeschrittene eher irrelevant. Der Schaden der reduzierten Vielfalt gilt aber natürlich auch für fortgeschrittene Spieler.
In abgeschwächter Form gilt dies sogar für die Abschaffung diverser "meistvergessener Regeln". Der erfahrene Midgärdner wird nun nicht unbedingt entlastet, weil er ja all diese fitzeligen Kleinregeln immer noch irgendwie im Kopf hat und sich jetzt zusätzlich auch noch fragen muß, ob diese oder jene Regel zu den aufgehobenen zählt oder nicht.
Generell sehe ich Vereinfachung ja als eine Tugend im Spieledesign an. Allerdings ist Midgard nun mal im Vergleich ein sehr regellastiges und komplexes Rollenspiel. Damit sind die Zielgruppe auch die Anhänger solcher Systeme. Eine Vereinfachung kann nun leicht dazu führen, daß sie die eigentliche Zielgruppe vergrault, während die erhofften Zugewinne nicht eintreten, weil die Anhänger leichtgewichtiger Rollenspielsysteme Midgard natürlich auch nach den Vereinfachungen immer noch als schwerfälligen Dinosaurier ansehen. Komplexe Pen&Paper-Rollenspiele haben das Grundproblem, daß sie sich aus heutiger Sicht so anfühlen, daß man sie besser als Computerspiele implementieren sollte, während moderne leichtgewichtige Systeme sich auf die Aspekte des Pen&Paper-Rollenspiels konzentrieren, die ein Computerrollenspiel nicht bieten kann. Ich fürchte bloß, daß auch M5 nicht wirklich in diesem Revier wird wildern können. Pen&Paper-Rollenspiele sind gar nicht mal so tot, wie man meinen könnte. Ironischerweise sorgen gerade die vermeintlichen Sargnägel Computer und Internet dafür, daß man nun sehr einfach originelle Kleinprodukte an den Mann bringen kann, sei es durch Webpublishing oder durch Crowdfunding. So gibt es also eine sehr lebendige und kreative Pen&Paper-Szene, nur spielt dort meinem Eindrucke nach Midgard fast keine Rolle.
Möglicherweise manövriert sich Midgard also in eine Ecke, wo es für den Nachwuchs auch weiterhin nicht interessant ist, die alten Hasen sich aber an die alten Editionen klammern und bei den neuen Entwicklungen nicht mitgehen...
Die Antwort
Ganz unaufgeregt: Wenn ich jetzt nicht schon ein Regelwerk vorliegen hätte, würde ich mir ohne zögern M5 zulegen (und nicht etwa auf Ebay nach alten Ausgaben von M4 oder früher Ausschau halten). Allerdings sehe ich mehr Gründe gegen als für einen Umstieg, wenn das M4-Regelwerk noch vorliegt und die Spieler sich damit schon auskennen.
Anhang A: Backports von M5 in die M4-Hausregeln
Dies sind z.T. keine eigentlichen Backports, sondern bereits existierende Hausregeln, die zufälligerweise den Geist der M5-Änderungen vorweggenommen haben.
- Magische Wundbehandlungen verkürzen die Heildauer schwerer Verletzungen (allerdings auf etwas andere Art und Weise als in M5).
- AP für kleine Menschenähnliche werden anders berechnet (wenn auch nicht genau so wie in M5).
- Der Handlungsrang kann freiwillig auf 0 reduziert werden.
- „Schutzklausel“ für Schlaf: Das Opfer schläft nicht ein, wenn es sich dadurch in eine offensichtlich lebensbedrohliche Situation begibt. (Zitat aus dem M5-Arkanum: „Der Zauber wirkt aber nicht gegen mögliche Opfer, die sich im Kampf oder in einer anderen lebensbedrohlichen Situation befinden.“)
- Der anfängliche 1W6-Wurf für die LP ist mindestens 4.
- PP auf allgemeine Fertigkeiten grundsätzlich bei unmodifiziertem Würfelergebnis von 16–20 vergeben (und nicht mehr nach Ermessen des SL).
- Inspiriert von M2 kann man alle Waffen einer Waffengattung mit mindestens dem um vier reduzierten Erfolgswert der am besten beherrschten Waffe dieser Gattung benutzen. Beim Lernen muß man aber immer noch vom üblichen Startwert +4 bzw. dem bislang für diese Waffe gelernten Wert ausgehen. Damit wird ein Mittelweg zwischen M3/M4 und M5 gegangen.
- Bonus durch die Leiteigenschaft wird zu einem echten +1- oder +2-Bonus, der immer gilt, solange die Leiteigenschaft nicht reduziert wird (z.B. Gw durch Rüstung). Dabei wird dann aber die Anhebung des erlernbaren Maximalerfolgswertes aufgehoben.
- Anstatt die Mindesteigenschaftswerte für Fertigkeiten gleich ganz abzuschaffen, erhält man einen –2-Malus, wenn man die Mindestwerte nicht erfüllt, aber das Lernen ist immer erlaubt.
- Automatische EW werden mit WM–8 durchgeführt (und müssen damit nicht notwendigerweise kritisch erfolgreich sein).
Anhang B: Konvertierung des Grades
Die auffälligste Änderung bei Werten aus Szenarien und Quellenbüchern dürfte die Gradangabe sein. Folgende Tabelle basiert auf einem Post im Midgard-Forum.
M4 | M5 | M5-Bestiarium |
---|---|---|
0 | 0 | 0 |
1 | 1 | 0–1 |
2 | 2 | 2 |
3 | 3 | 3 |
4 | 4–5 | 4 |
5 | 6–9 | 5–6 |
6 | 10–12 | 9–10 |
7 | 13–17 | 13–15 |
8 | 18–21 | 20 |
9 | 22–26 | 25 |
10 | 27–28 | |
11 | 29–30 | |
12 | 31–32 | 27–32 |
13 | 33–34 | |
14 | 35–36 | |
15 | 37+ |
M5-Bestiarium bezieht sich auf M5-Grade, die aus Vergleich der Bestiarien ermittelt wurden, während die Spalte M5 auf offiziellen Angaben zur Konvertierung beruht.
Je 10.000 GFP, die aber 150.000 GFP hinausgehen, steigt der M5-Grad um je 1 über 37 hinaus.
Anhang C: Retrospektive: 10 Jahre später…
Eine ganze Dekade, nachdem ich die wesentlichen Teile dieses „Umstiegsgutachten“ geschrieben habe, ist es Zeit für einen Blick zurück, was in diesem nachträglich angefügten Anhang geschehen soll.
Was hat sich bislang getan?
- Ich habe mir mittlerweile all die M5-Publikationen zugelegt. Jetzt könnte ich natürlich all die oben besprochenen Details nochmal durchgehen und dabei Ungenauigkeiten präzisieren bzw. Übersehenes hinzufügen. Darin sehe ich allerdings wenig Sinn. Der lange Artikel oben entstand ja nicht aus Selbstzweck, sondern war sozusagen mein erweiterter Notizzettel, um damals zu einem Schluß zu kommen, ob wir auf M5 umsteigen. Der Schluß war damals, es nicht zu tun, und das hat auch bestand. Ich werde allerdings weiter unten auf ein paar übergreifende Punkte eingehen, die mir erst später so richtig klar geworden sind.
- Es gibt mittlerweile allerlei Ergänzungen zum damals vorliegenden Kernregelwerk, so daß viele der oben bejammerten Verluste gar keine mehr sind. Am schmerzlichsten vermisse ich jetzt noch den Beschwörer, wenn auch zumeist als NSpF, weil viele Phänomene in der Spielwelt durch (Nicht-Spieler-)Beschwörer gut erklärbar sind. (Allerdings habe ich soeben Gerüchte vernommen, daß in der bevorstehenden Neuauflage des Nihavand-Quellenbuchs zumindest Elementarbeschwörer als Abenteurertyp enthalten sein werden, was dann zumindest die Hälfte dieser letzten Leerstelle füllen würde.)
- Eines der stärksten Argumente für einen Umstieg auf M5 hatte ich gar nicht auf dem Schirm, als ich all das oben geschrieben habe: das online-Tool MOAM. Es ist auch nicht etwas, was es nur mit M5 geben könnte, aber die aktuelle Version unterstützt nunmal nur M5. Leider wird aber MOAM Ende 2024 offline gehen, weil sich offenbar kein Weg finden ließ, wie dieses Projekt für M5 weiterlaufen kann, während Pegasus die Midgard-Rechte erworben hat und nun bald M6 herausbringen wird. Somit hat sich dieses zunächst übersehene Argument mittlerweile leider auch gleich wieder erledigt.
- Wie oben im Anhang A beschrieben, habe ich allerlei willkommene Aspekte von M5 in unsere M4-Hausregeln „rückportiert“, so daß wir jetzt gewisserweise mit dem „Besten zweier Welten“ spielen.
Was sind nach all den Jahren meine übergreifenden und prägnantesten Eindrücke von M5?
Das oben arg strapazierte Grundthema der Vereinfachung in M5 hat sich mittlerweile fast ins Gegenteil verkehrt. Zwar gibt es an vielen Punkten in der Tat Vereinfachungen, so wie oben ja zahlreich belegt, aber wenn man die mittlerweile zahlreich erschienenen Ergänzungen alle zuläßt, dann ist man mit M5 zumindest bei einem vergleichbaren Komplexitätsniveau angekommen. Man kann natürlich sagen, daß dies alles modulare Zusatzregeln sind, die man bei Bedarf hinzunehmen kann, die aber nicht zur inhärenten Komplexität beitragen. Nun ja, vielleicht. Aber vielleicht viel wichtiger ist, daß ich bei näherer Betrachtung das M5-Lernsystem mitnichten als eine Vereinfachung darstellen würde. Es ist eher ein Versuch, das Lernsystem zu generalisieren, so daß man nicht mehr detailliert ausgearbeitete Tabellen braucht, die jede Fähigkeit und jeden Zauberspruch einzeln abhandeln, sondern stattdessen eine Art Kategoriensystem hat, in das sich alles einfügt. Das mag ja gewisse Vorteile haben (z.B. weniger Tabellen), aber es ist strukturell eher komplizierter.
Womit wir bei dem Punkt angekommen sind, der mir bei M5 mittlerweile am meisten aufstößt (und der mir damals, als ich all die oben erwähnten Details zusammengetragen habe, gar nicht aufgefallen ist): Bis M4 gab es für die meisten Abenteurertypen ein paar sehr bezeichnende Fähigkeiten, die für andere Typen sehr teuer oder gar unmöglich zu lernen waren. Bei allen Vorzügen der „schwachen Typisierung“ führte dies dazu, daß verschiede Typen sich eben immer noch ausreichend unterschiedlich anfühlten und daß auch jeder Typ seine Sternstunden haben konnte, wo ihm kein anderer das Wasser reichen konnte (was relativiert, daß manche Typen auf mehr oder weniger typische Abenteuersituationen bezogen deutliche regeltechnische Vorzüge gegenüber anderen haben, wobei der PK wohl das berüchtigste Beispiel ist). Aber genau diese Spezialfähigkeiten lassen sich im generalisierten M5-System jenseits der Startfähigkeiten schlecht modellieren. Das Paradebeispiel hier ist der Zauber Vision, der ein Inbegriff der Grundideen ist, auf denen der Abenteurertyp Schamane beruht. Auch hat dieser Zauber in der Regel sehr große Auswirkungen auf den Ablauf eines Abenteuers. In M5 ist es nun nicht nur so, daß dieser Zauber sehr vielen Typen zur Verfügung steht, er ist sogar für Priester leichter zu lernen als für Schamanen (weil er eben in die allgemeine Kategorie der Wundertaten fällt).
Dennoch hätte ich wohl wenig Hemmungen, M5 zu spielen, wenn z.B. die Spieler neu sind bei Midgard und viel leichter sich ein M5-Regelwerk besorgen können als ein M4-Regelwerk. Leider wird es aber in nicht allzu ferner Zukunft wohl ebenso schwer werden, ein M5-Regelwerk zu kaufen, denn gedruckt wird dann nur noch M6, und das ist nochmal eine ganz andere Geschichte… (Ein M6-Umstiegsgutachten sollte ich vielleicht bald auch mal schreiben.)